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Kommentar: Geht der deutschen Wirtschaft die Puste aus?

Kommentar

Geht der deutschen Wirtschaft die Puste aus?

Rudi Wais
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    Noch geht es Deutschland wirtschaftlich hervorragend. Damit das so bleibt, müsste die Bundesregierung aber einiges mehr unternehmen.
    Noch geht es Deutschland wirtschaftlich hervorragend. Damit das so bleibt, müsste die Bundesregierung aber einiges mehr unternehmen. Foto: Oliver Berg, dpa (Symbol)

    Auf den ersten Blick ist noch alles in bester Ordnung: die Arbeitslosigkeit niedrig, die Kauflust ungebrochen, die Wirtschaft gut ausgelastet. Auch im neunten Aufschwungjahr, so scheint es, strotzt Deutschland nur so vor Kraft. Wenn den Konjunkturzug etwas bremst, findet Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ist es allenfalls der Mangel an gut ausgebildetem Personal. Andere Regierungen haben größere Sorgen.

    Auf den zweiten Blick geht es Deutschland nicht mehr ganz so gut. Für das laufende Jahr haben die großen Forschungsinstitute ihre Wachstumsprognose um satte 0,5 Punkte auf 1,7 Prozent nach unten korrigiert – darin drückt sich nicht nur die Sorge vor einer Eskalation der Handelskonflikte aus, die der exportstarken deutschen Wirtschaft zu schaffen machen könnten. Auch die nachlassende Nachfrage aus dem Ausland und die anhaltende Unklarheit über den Brexit entwickelt sich allmählich zu Konjunkturrisiken. Unternehmen legen Investitionen aufs Eis, warten erst einmal ab, wie die Dinge sich entwickeln – und laufen damit Gefahr, von Konkurrenten aus anderen Ländern überholt zu werden.

    Es hapert schon beim schnellen Internet

    Wenn die Börse ein Synonym für wirtschaftliche Dynamik ist, dann muss auch dem sonst so optimistischen Altmaier allmählich etwas mulmig zumute werden. 1,75 Prozent hat der Deutsche Aktienindex in diesem Jahr an Wert eingebüßt, während der Dow Jones in den USA um 18 Prozent zugelegt hat. Auch in Frankreich, in Österreich oder den Niederlanden laufen die Börsen deutlich besser als der schwerfällige Dax. Das alleine genommen ist vielleicht noch kein Anlass zu größerer Sorge, in Kombination mit einer Reihe von politischen Versäumnissen allerdings addiert sich das alles zu einem ökonomischen Klumpenrisiko.

    Wie, zum Beispiel, soll ein Land im Zeitalter der Digitalisierung seinen technologischen Vorsprung halten, das noch nicht einmal in der Lage ist, seine Bürger flächendeckend mit schnellem Internet zu versorgen? Wie soll es auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben, wenn es nur den Status quo verwaltet, während andere Regierungen beherzt die Unternehmenssteuern senken, allen voran die von Donald Trump? Dazu noch die hohen Energiepreise und eine langsam verfallende Infrastruktur – und schon ist aus dem vermeintlichen Musterschüler ein ökonomischer Problemfall geworden. Mögen die gute Auftragslage und das gute Konsumklima die deutsche Wirtschaft noch durch die nächsten ein, zwei Jahre tragen: Auf den Tag X ist sie nicht wirklich vorbereitet. Den Tag, an dem sie in eine Rezession rutscht.

    Eine Möglichkeit: Schnell den Soli abschaffen

    Konjunktur verläuft in Zyklen, und deshalb wird dieser Tag kommen wie das berühmte Amen in der Kirche. Unter anderen Umständen würde die Zentralbank dann die Zinsen senken, um Anreize für Investitionen zu schaffen und die Wirtschaft wieder zu stimulieren. Bei Zinsen von null Prozent jedoch scheidet diese Möglichkeit aus. Umso wichtiger wäre es daher, dass die Politik nun das Ihre tut, um die Konjunktur in Schwung zu halten oder den Tag X noch etwas hinauszuzögern. Eine rasche Abschaffung des Solidaritätszuschlages etwa würde den Konsum noch weiter ankurbeln, inzwischen die vielleicht wichtigste Stütze der Konjunktur. Zusätzliche Mittel für die Digitalisierung und die Infrastruktur könnten einen neuen Investitionsschub auslösen, eine Reform der Unternehmensbesteuerung etwas mehr Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb schaffen. Es wäre die erste nach mehr als zehn Jahren.

    Leisten kann Deutschland sich das – zumindest im Moment noch. Für das laufende Jahr erwarten die Forschungsinstitute einen Überschuss von 54 Milliarden Euro in den öffentlichen Kassen.

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