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Kommentar: Für und gegen eine Autobahn: Die Grünen und das Pfannkuchen-Dilemma

Kommentar

Für und gegen eine Autobahn: Die Grünen und das Pfannkuchen-Dilemma

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    Polizisten führen eine A49-Gegnerin durch ein bereits gerodetes Waldgebiet im Dannenröder Forst.
    Polizisten führen eine A49-Gegnerin durch ein bereits gerodetes Waldgebiet im Dannenröder Forst. Foto: Nadine Weigel, dpa

    Es ist das alte Dilemma: Wer einen Pfannkuchen will, muss dafür Eier zerbrechen. Vor einer solchen Entscheidung stehen die Grünen, deren digitaler Parteitag an diesem Freitag beginnt. Wie groß das Dilemma der Grünen ist, zeigt sich gerade in einem kleinen Waldstück in Hessen. Ein Autobahnabschnitt soll dort gebaut werden, doch dafür müssen Bäume gefällt werden. Umweltschützer haben ihre Gipfel besetzt, leisten hartnäckigen Widerstand gegen die Rodung. Die Grünen-Bundesspitze spricht sich gegen das Verkehrsprojekt im Dannenröder Forst aus, fordert gar den Stop aller Neubauten von Autobahnen und Bundesstraßen. Doch hessischer Verkehrsminister ist ausgerechnet der Grüne Tarek Al-Wazir. Er muss den Bau laut Koalitionsvertrag mit der CDU umsetzen.

    Wahl 2021: Vieles deutet im Moment auf eine schwarz-grüne Bundesregierung

    Darum wird es gehen bei der virtuellen Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen: Um eine Gratwanderung zwischen Wunschdenken und Machbarem, Radikalität und Kompromiss. Um Bäume oder Autobahn, Fundamentalopposition oder Regierung, Eier oder Pfannkuchen. Fest haben sich die Grünen als zweitstärkste politische Kraft hinter der Union etabliert, sie regieren in elf Bundesländern mit. Vieles deutet im Moment auf eine schwarz-grüne Bundesregierung nach der Wahl im kommenden Jahr. Vor der alle Oppositionsparteien betreffenden Corona-Delle lagen die Zustimmungswerte sogar bei weit über 20 Prozent.

    Doch solche Ergebnisse bilden den möglichen Pfannkuchen und die intakten Eier gleichzeitig ab. Noch bekennen sich sowohl diejenigen in Umfragen zu den Grünen, die sich die Partei als politischen Arm von Klimaschutz-Gruppen wie „Fridays for Future“ oder „Extinction Rebellion“ wünschen. Als auch jene, die von einer mildgrünen, wirtschaftsfreundlichen Politik im Bund nach Art des baden-württembergischen Landesvaters Winfried Kretschman träumen. Von einer CDU mit Bio-Siegel. Kretschmann aber würde die jungen Klimaaktivisten gern zurück in die Schule schicken und setzt sich für Auto-Kaufprämien ein.

    Umweltschützer leisten im Dannenröder Forst hartnäckigen Widerstand gegen die Rodung. Seit Anfang Oktober sind in Mittelhessen praktisch jeden Werktag Hunderte Polizisten im Einsatz, um den Weiterbau der A49 abzusichern.
    Umweltschützer leisten im Dannenröder Forst hartnäckigen Widerstand gegen die Rodung. Seit Anfang Oktober sind in Mittelhessen praktisch jeden Werktag Hunderte Polizisten im Einsatz, um den Weiterbau der A49 abzusichern. Foto: Boris Roessler, dpa

    Gerade Robert Habeck mit seiner unvergleichlichen Art im Ungefähren zu bleiben, hat es verstanden, die jungen Aktivisten ebenso wie die gereiften Öko-Bürgerlichen anzusprechen. Ob nun er die Grünen in den Wahlkampf führen wird oder seine Mit-Parteichefin Annalena Baerbock, wird wohl erst im kommenden Jahr entschieden. Wer auch immer grüner Kanzlerkandidat wird – rechtmachen können wird er es beiden Lagern nicht.

    Dannenröder Forst: In Hessen proben die Grünen einen bemerkenswerten Spagat

    Längst schmollt Klimaschutz-Frontfrau Luisa Neubauer, die – noch – Grünen-Mitglied ist. Enttäuscht die Grünen-Spitze die jungen Aktivisten, könnten diese sich abwenden und eine eigene Partei gründen. Wagt die Partei dagegen zu viel Luisa-Radikalität verschreckt sie die vielen Öko-Bürgerlichen. Die wollen zwar gern auf den Elektro-Daimler umsteigen, damit aber auf ordentlichen Autobahnen fahren.

    Der alte innergrüne Gegensatz zwischen gemäßigten Realos und radikalen Fundis ist nicht überwunden, sondern unter neuen Vorzeichen zurück. Auf dem Parteitag wird am Grundsatzprogramm gefeilt, die Grüne Jugend würde darin etwa gern ein grundsätzliche Ablehnung von Wirtschaftswachstum sehen. Die Befugnisse von Polizisten will der Partei-Nachwuchs deutlich einschränken. Weniger als ein Jahr vor der Bundestagswahl aber muss die Partei ein Signal senden, was sie eigentlich will: Die Eier der kompromisslosen Radikalität oder den Pfannkuchen der Verantwortung.

    Wesentliche Teile der Grünen haben es satt, als Meckerer an der Seitenlinie zu stehen. Wirksamer Umwelt -und Klimaschutz lässt sich am besten in der Regierung machen – auch wenn das Kompromisse erfordert. In Hessen aber proben die Grünen einen bemerkenswerten Spagat. Sie bleiben in der schwarz-grünen Koalition, ziehen den Autobahnbau durch und betonen dabei, dass sie diesen mit ganzer Innbrunst ablehnen. Offenbar soll den Wählern ganz einfach ein Pfannkuchen ohne Ei serviert werden. Ob ihnen der schmeckt, wie viele da zubeißen, das wird sich an der Urne zeigen.

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