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Kommentar: Für immer Besser-Wessi und Jammer-Ossi?

Kommentar

Für immer Besser-Wessi und Jammer-Ossi?

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    Die Berliner Mauer ist 1989 Geschichte. Doch in der deutschen Gesellschaft gibt es immer noch eine Spaltung.
    Die Berliner Mauer ist 1989 Geschichte. Doch in der deutschen Gesellschaft gibt es immer noch eine Spaltung. Foto: Ralf Hirschberger, dpa (Archiv)

    Dass die deutsche Einheit seit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 als „vollendet“ gilt, ist ein wenig missverständlich. Formell, politisch, auf dem Papier, trifft das ja zu. Und es gibt auch allen Grund, diesen historischen Glücksfall der Wiedervereinigung jedes Jahr aufs Neue von Herzen zu feiern. Doch in der Lebensrealität vieler Menschen ist die deutsche Einheit eine unvollendete. Das gilt nach 28 Jahren noch und heute vielleicht sogar mehr denn je. Die Bruchlinien, die das Land durchziehen, werden immer zahlreicher. Und sie verlaufen keineswegs nur zwischen Ost und West.

    Die gefühlte Spaltung der Gesellschaft nimmt zu

    Die Spaltung der Gesellschaft, die gefühlte zumindest, nimmt eher zu. Arme und reiche Regionen, ob auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik oder in den neuen fünf Ländern, driften immer weiter auseinander. Stadt und Land entwickeln sich teils völlig gegensätzlich. In der Gesellschaft schwindet der Grundkonsens, die Bevölkerung fasert auf in kleinere und größere, einander mitunter leidenschaftlich ablehnende Gruppen und Grüppchen. Viele Bürger klagen, dass von dem seit Jahren anhaltenden Wirtschaftsboom vor allem die ohnehin Wohlhabenden profitieren.

    Wo sich Menschen abgehängt fühlen, blühen Frust und Hass. Gerade der Zustrom von Flüchtlingen in den vergangenen Jahren hat die Deutschen auf extreme Weise polarisiert. In der Politik werden die radikalen Ränder stärker. Die Menschen reden oft nur mehr übereinander, statt miteinander. Befördert wird das noch von den Filterblasen im Internet – in sozialen Medien bleibt man unter sich, bestärkt einander immer mehr in seiner Haltung. Anonyme Hasskommentare gegen Andersdenkende sind schnell geschrieben.

    Nationalfeiertag ist zum Nachdenken da

    Wo Gruppen, die sich ablehnen, dann in der Realität aufeinandertreffen, kommt es zu echter Gewalt. Immer öfter machen Bilder der Enthemmung fassungslos: gewaltbereite Rechtsextremisten, die grölend durch Innenstädte ziehen und den Hitlergruß zeigen. Linke Chaoten, die beim G20-Gipfel eine Spur der Verwüstung durch Hamburg ziehen. Militante Umweltschützer im Hambacher Forst, die Polizisten mit Fäkalien bewerfen – welch ein Zeichen der Verachtung gegenüber dem Staat.

    In einer Gesellschaft, die solchermaßen unter Druck geraten ist, muss der Nationalfeiertag mehr denn je Anlass zum Innehalten sein. Und zwar für alle Bürger, auf beiden Seiten der einstigen innerdeutschen Grenze. Jeder sollte sich selbstkritisch fragen, warum sich die Klischees der Nachwendezeit so hartnäckig halten. Wie das Bild vom „Besser-Wessi“, der stets klug daherredet und doch nur auf seinen wirtschaftlichen Vorteil aus ist. Sein ewiger Gegenpart: Der „Jammer-Ossi“, chronisch unzufrieden. Obwohl er doch statt Trabi endlich ein richtiges Auto fahren kann und jede Menge Fördergelder kassiert.

    Tag der Deutschen Einheit ist ein starkes Symbol

    Es lohnt sich, auch darüber zu reden, wie hart die Brüche nach dem Mauerfall sich oftmals auswirkten, auf das Schicksal Einzelner, auf Familien, ganze Dörfer, Städte und Regionen. Nur bei gegenseitigem Respekt kann wirklich zusammenwachsen, was zusammengehört – Deutsche aus West, Ost und solche, die ihre Wurzeln in anderen Ländern haben. Für diesen Prozess ist der Tag der Deutschen Einheit ein starkes Symbol. Steht er doch für die Überwindung eines Überwachungs- und Unrechtsstaats durch friedlichen Bürgerprotest. Für den unbändigen Freiheitswillen des Menschen, der Mauern und Zäune niederreißt. So ist die deutsche Einheit nicht nur ein vollendetes historisches Ereignis oder ein Datum aus den Geschichtsbüchern. Sondern die Verpflichtung, Trennendes zu überwinden, ein gemeinsames Ziel, ein

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