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Kommentar: Für den Erfolg scheint Erdogan jedes Mittel recht

Kommentar

Für den Erfolg scheint Erdogan jedes Mittel recht

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    Kritiker werfen dem türkischen Präsidenten Erdogan vor, den IS lange ignoriert und indirekt sogar gefördert zu haben..
    Kritiker werfen dem türkischen Präsidenten Erdogan vor, den IS lange ignoriert und indirekt sogar gefördert zu haben.. Foto:  str. (dpa)

    Mit Instinkt und Erfolg hat sich Recep Tayyip Erdogan immer wieder als Landesvater in Szene gesetzt. Diese Karte spielten auch schon andere türkische Spitzenpolitiker vor ihm. Doch Erdogan hatte mehr zu bieten: Er empfahl sich für höchste politische Ämter, weil es ihm gelang, als Bürgermeister den Moloch Istanbul zu modernisieren. Und tatsächlich veränderte er die Türkei als Ministerpräsident nachhaltig. Seine Popularität schien ungeahnte Höhen zu erreichen, als er sich nach der Reform der Sozialsysteme auch noch an die Lösung des über Jahrzehnte drängendsten Problems des Landes wagte: des Kurdenkonflikts.

    Gleichzeitig aber veränderte sich Erdogan. Er reagierte dünnhäutiger auf Kritik, mochte sich nicht mehr von unabhängigen Richtern ins Handwerk pfuschen lassen, entdeckte freie Medien als Feind. Kurz: Erdogan mutierte immer mehr zu einem autoritären Politiker, der demokratischen Grundrechten mit unverhohlener Verachtung begegnet. Je größer der Widerstand seiner Landsleute gegen die Allüren Erdogans wurde, desto störrischer und unversöhnlicher wurde der heute 61-Jährige.

    Erdogan steuert mit der Türkei auf einen Krieg gegen Kurden und IS zu

    Das alles war schlecht für die Türkei. Doch die kaum kontrollierbaren Konflikte, die Erdogan jetzt ohne jedes Innehalten vom Zaun bricht, könnten ganz andere Dimensionen erreichen. Der Staatspräsident steuert auf einen Krieg an zwei Fronten zu – gegen die Terrormiliz IS und die Kurden.

    Welche Strategie steckt dahinter? Oder geht es ihm tatsächlich in erster Linie darum, einen Erfolg für sich und seine islamisch-konservative AKP bei möglichen Neuwahlen zu sichern? Genau dafür spricht leider von Tag zu Tag mehr. Im Bestreben, sich als Fels im Kampf gegen den Terrorismus zu präsentieren, nimmt er in Kauf, dass der unerklärte Krieg gegen die kurdischen PKK-Rebellen – der bereits zigtausende Opfer in der Türkei gefordert hat – wieder aufflackert.

    Die PKK reagiert wie befürchtet und rächt sich blutig an türkischen Polizisten und Soldaten. Eine Situation, die für ein Land, das derart unter Spannung steht wie die Türkei, brandgefährlich ist. Die Kurden stellen fast 20 Prozent der türkischen Bevölkerung. Und was für die

    Erdogan kann die PKK nur schwächen, aber nicht völlig besiegen

    Grund genug für die westlichen Verbündeten, alles daran zu setzen, den zunehmend unberechenbaren Nato-Partner zu bremsen. Wie aber soll man einen Staatschef überzeugen, der bereit ist, sein Land für Wählerstimmen unkalkulierbaren Gefahren auszusetzen? Ein Mann, der dafür verantwortlich ist, dass IS-Terroristen lange Zeit von der Türkei medizinisch und logistisch unterstützt wurden. Der die panische, mitunter paranoide Angst vor einem kurdischen Staatsgebilde jenseits der türkischen Grenzen politisch instrumentalisiert.

    In Washington sieht man die Lage nicht so düster wie in Berlin oder Paris. Die USA hoffen auf einen neuen Partner im Kampf gegen den IS. Doch Erdogan wird zögern, sich mit voller Wucht auf den IS stürzen, der seinerseits türkische Tourismusregionen mit Terror überziehen könnte. Zwar erneuert Ankara seine Forderung nach einer von westlichen Militärjets kontrollierten Schutzzone entlang der syrischen Grenze. Allerdings will die Türkei in dieser Zone auch die PKK angreifen.

    Der Präsident wird wissen, dass er die PKK im eigenen Land letztlich nur schwächen, nicht aber völlig besiegen kann. Gleiches gilt für die Kurden jenseits der Grenze. So droht der Türkei ein Flächenbrand, der die Verdienste des einstigen Modernisierers Erdogan zunichtemachen könnte.

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