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Kommentar: Fehler von Bund und Ländern: Wie Impfen zur Schwachstelle im Kampf gegen Corona wird

Kommentar

Fehler von Bund und Ländern: Wie Impfen zur Schwachstelle im Kampf gegen Corona wird

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    Impfen wird im Kampf gegen Corona zur Schwachstelle. Bund und Länder haben dabei auch Fehler gemacht.
    Impfen wird im Kampf gegen Corona zur Schwachstelle. Bund und Länder haben dabei auch Fehler gemacht. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Der Impfstoff gegen das Corona-Virus soll eigentlich Hoffnung spenden, doch sorgt er derzeit vor allem für Frustration. Die Massenimpfung stockt, sie stottert und läuft schleppend. Die Terminvergabe ist ein Graus. War die Versorgung mit dem wertvollen Serum schon bislang dürftig, wird es jetzt noch schlechter.

    Pfizer baut sein Werk um - und liefert weniger Corona-Impfstoff nach Deutschland

    Der US-Konzern Pfizer, der große Partner des deutschen Impfstoffentwicklers Biontech, baut sein Werk in Belgien um und kann deshalb weniger liefern. In den Bundesländern kommt außerdem noch weniger an als geplant, weil sich Pfizer auf das Kleingedruckte beruft. Vereinbart ist die Lieferung einer bestimmten Anzahl von einzelnen Impfdosen, nicht von Fläschchen. Weil aus den Fläschchen jetzt sechs statt fünf Spritzen befüllt werden können, werden weniger davon nach Deutschland transportiert.

    In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

    Die Reihenfolge der Impfungen ist in einer Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt.

    Zunächst sollen Menschen an die Reihe kommen, die unter "höchste Priorität" eingestuft sind. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger, die älter als 80 Jahre sind, ...

    ...genauso wie Menschen, die in Pflegeheimen betreut werden oder dort arbeiten.

    Auch Pflegekräfte in ambulanten Diensten und Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen mit erhöhtem Expositionsrisiko gehören dazu. Darunter fallen: Mitarbeiter in Corona-Impfzentren, Notaufnahmen oder Intensivstationen.

    "Höchste Priorität" haben außerdem Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, die Risikogruppen behandeln. Darunter ist zum Beispiel die Transplantationsmedizin gelistet.

    Als nächstes sollen Menschen geimpft werden, die unter "hohe Priorität" kategorisiert sind. In erster Linie sind das jene, die über 70 Jahre alt sind.

    Auch wer bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen aufweist, fällt in diese Kategorie. Dazu gehören Trisomie 21 und Demenz. Auch wer eine Organtransplantation hatte, wird mit hoher Priorität geimpft.

    Es genügt außerdem, Kontaktperson von Menschen in Risikogruppen zu sein, um mit hoher Priorität geimpft zu werden werden. Dazu gehören enge Kontaktpersonen von Menschen über 80, von Schwangeren oder Bewohnern von Pflegeheimen. Auch Personen, die in Einrichtungen für Senioren oder für Menschen mit geistiger Behinderung leben, sollen mit hoher Priorität geimpft werden. Außerdem fallen Pflegerinnen und Pfleger, die Menschen mit Behinderung stationär oder ambulant betreuen, in diese Kategorie.

    Auch bestimmte Berufsgruppen sollen schnell an die Reihe kommen. Vor allem solche, die in der Öffentlichkeit aktiv sind und viel Kontakt zu Bürgern haben. Dazu gehören Polizisten und Ordnungskräfte, die auf Demonstrationen unterwegs sind, sowie Mitarbeiter in Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften oder Krankenhäusern.

    Als dritte Kategorie definiert das Gesundheitsministerium Menschen mit "erhöhter Priorität". Dazu gehört die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren.

    Außerdem sollen dann Menschen geimpft werden, die zwar in medizinischen Berufen arbeiten, aber einem niedrigerem Expositionsrisko ausgesetzt sind. Dazu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Laboren.

    Erhöhte Priorität haben auch Menschen mit folgenden Krankheiten: Adipositas, chronische Nierenerkrankung, chronische Lebererkrankung, Immundefizienz oder HIV-Infektion, Diabetes mellitus, diversen Herzerkrankungen, Schlaganfall, Krebs, COPD oder Asthma, Autoimmunerkrankungen und Rheuma.

    Auch bestimmte Berufsgruppen fallen in diese Kategorie. Darunter Lehrer und Erzieher, Polizisten, Regierungsmitarbeiter, Verwaltungsangestellte, Feuerwehrmänner und -frauen, Katastrophenschutz, THW oder Justiz.

    Erhöhte Priorität haben außerdem Menschen, die in kritischer Infrastruktur arbeiten. Dazu gehören Apotheken und Pharmawirtschaft, öffentliche Versorgung und Entsorgung, Ernährungswirtschaft, Transportwesen, Informationstechnik und Telekommunikation.

    Auch Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen werden mit erhöhter Priorität geimpft.

    Wer nicht in eine dieser drei Kategorien fällt, wird ohne Priorität geimpft. Also erst dann, wenn Menschen aus diesen Kategorien an der Reihe waren.

    Die Bundesregierung hat sich verkalkuliert - und jetzt ist der Impfplan gegen Corona in Gefahr

    Die Bundesregierung hatte bislang darauf gesetzt, die Impfungen um 20 Prozent steigern zu können, weil jeder Ampulle ein Extra-Schuss entnommen werden konnte. Durch den unerwartet aufgetretenen Engpass ist sogar der Schutz der bereits mit einer Spritze Geimpften gefährdet. Denn die zweite Dosis muss etwa drei Wochen nach der ersten verabreicht werden. Der ganze Impfplan gegen den bedrohlichen Erreger ist gefährdet.

    Nicht die europaweite Bestellung des Corona-Gegenmittels ist das Problem, sondern grobe Fehler der EU-Kommission. Sie bestellte zu spät zu wenig bei Biontech und Pfizer und steht jetzt in der Schlange hinter anderen Ländern wie USA und Israel. Dazu gesellt sich jetzt der Ampullen-Lapsus. Brüssel sieht nicht gut aus und für die Bundesregierung wird es immer schwieriger, die europäische Impfstrategie zu verteidigen.

    Probleme beim Impfen: Bund und Länder können eigene Fehler nicht mehr kaschieren

    Wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag erklärte, sollen Biontech und Pfizer bis Ende März nur knapp 9 Millionen Impfdosen an Deutschland liefern. Bislang war immer von 11 bis 12 Millionen die Rede. Scheibchenweise muss die Regierung einräumen, dass ihre Planungen nicht aufgehen. Nordrhein-Westfalen musste nun die Impfung der zu Hause lebenden Alten verschieben. Gleiches gilt für das Personal von Kliniken. Zu einem Zeitpunkt, wo sich möglicherweise bald die hochansteckende Corona-Mutation aus England auch in der Bundesrepublik verbreitet, wird wertvolle Zeit vergeudet.

    Die Lage wird sich erst verbessern, wenn ab März die Impfstoffe anderer Unternehmen großflächig zur Verfügung stehen. Bis dato droht der Impf-Krampf weiterzugehen. Bund und Länder können eigene Fehler und Versäumnisse – bei der Bestellung und bei der Terminvergabe – nicht mehr einfach darauf abschieben, dass der Impfstoff am Anfang halt knapp ist.

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