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Kommentar: Fall Nüßlein: Lobbyisten müssen endlich ans Licht der Öffentlichkeit

Kommentar

Fall Nüßlein: Lobbyisten müssen endlich ans Licht der Öffentlichkeit

Michael Stifter
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    Gerade in Krisenzeiten im Zentrum des Interesse – insbesondere auch bei den Lobbyisten: der  Bundestag.
    Gerade in Krisenzeiten im Zentrum des Interesse – insbesondere auch bei den Lobbyisten: der Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Politikern, die glauben, Gesetze ohne das Wissen von Fachleuten machen zu können, sollte man misstrauen. Ob Corona-Maßnahmen, Steuerrecht oder Bildung: Wer die Tragweite politischer Entscheidungen seriös einschätzen will, muss vorher möglichst alle Blickwinkel einnehmen. Hier kommen Lobbyisten ins Spiel und daran ist im Prinzip auch nichts Verwerfliches. Dass diese Branche trotzdem eine Aura des Dubiosen umweht, liegt vor allem daran, dass die geheimnisvollen Interessensvertreter ihre Interessen am liebsten im Geheimen vertreten. Das muss sich ändern. Das Lobbyregister, zu dem sich die Große Koalition nun doch noch durchgerungen hat, kann dabei helfen. Kriminelle wird es aber nicht aufhalten.

    Das Lobbyregister hätte im Fall Georg Nüßlein kaum geholfen

    In die Liste müssen sich künftig alle professionellen Lobbyisten eintragen, die Einfluss auf politische Prozesse im Bundestag oder in Ministerien nehmen. Das war längst überfällig. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, wer neben den Politikern bei der Gesetzgebung mitredet. Vieles bleibt allerdings auch künftig im Ungefähren, solange konkrete Gesprächstermine nicht dokumentiert werden müssen. Und: Die Causa Georg Nüßlein wäre selbst mit diesem Lobbyregister nicht aufgeflogen.

    Der CSU-Bundestagsabgeordnete soll seine politischen Kontakte genutzt haben, um einem Masken-Hersteller zu einem millionenschweren staatlichen Auftrag zu verhelfen. Es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung, weil Nüßlein für sein Engagement eine Provision von 660.000 Euro bekommen haben soll, für die er überdies offenbar keine Umsatzsteuer ausgewiesen hat. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Empörung über diese Affäre konnte die Union gar nicht mehr anders, als endlich ihren Widerstand gegen mehr Transparenz aufzugeben. Insofern ist die Einigung auf das Lobbyregister ein Kollateralnutzen des Falles Nüßlein, der immer weitere Kreise zieht.

    Bestechung von Mandatsträgern ist schwer nachzuweisen

    Das eine hängt also mit dem anderen zusammen, gleichzusetzen ist es dennoch nicht. Sollte sich der Verdacht gegen den CSU-Politiker bestätigen, bewegen wir uns nicht mehr im Bereich undurchsichtiger Einflussnahme, dann geht es um eine Straftat, die ohne den Hinweis der Behörden in Liechtenstein möglicherweise nie ans Tageslicht gekommen wäre. Hier liegt die zweite, womöglich noch größere Baustelle. Sollte Nüßlein Steuern hinterzogen haben, lässt sich das vermutlich relativ einfach nachweisen. Was die Bestechlichkeit angeht, wird es schon komplizierter. Laut Strafgesetzbuch liegt die Bestechung eines Mandatsträgers nur dann vor, wenn ein Politiker in seiner Funktion als Abgeordneter Geld für eine Gegenleistung fordert oder annimmt. Nur, wo soll man hier die Grenze ziehen zwischen Mandatsträger und Privatperson?

    Kann ein Politiker überhaupt als reiner Privatmann Geschäfte machen?

    Nüßlein ist Gesundheitsexperte einer Partei, die in Berlin mitregiert. Es ist fraglos allein dieser Rolle zu verdanken, dass ihm viele Türen offenstehen, bis hinein ins Bundesgesundheitsministerium. Den Maskendeal will er aber als Privatperson beziehungsweise als Unternehmer eingefädelt haben? Die Rechnung für die Provision stellte er jedenfalls über seine Beratungsfirma. Sollte Nüßlein in der Angelegenheit tatsächlich über seine Abgeordneten-Adresse Mails verschickt und das Briefpapier der Unionsfraktion verwendet haben, könnte diese Argumentation schnell in sich zusammenbrechen. Doch die entscheidende Frage, die sich aus dem Fall ergibt, ist eine andere: Inwieweit kann ein Mandatsträger überhaupt noch als privater Geschäftsmann handeln, wenn er dafür sein politisches Netzwerk benutzt? Darauf hat auch das Lobbyregister keine Antwort. Es ist eine Frage des Anstandes.

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