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Kommentar: Fall Maaßen: Regieren muss man auch wollen

Kommentar

Fall Maaßen: Regieren muss man auch wollen

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    Hans-Georg Maaßen und sein Chef, Innenminister Horst Seehofer.
    Hans-Georg Maaßen und sein Chef, Innenminister Horst Seehofer. Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

    Sie wackeln noch heute, so heftig hat das Ergebnis der Bundestagswahl vor einem Jahr CDU, CSU und SPD erschüttert. Abgestraft vom Wähler, versuchen die drei angeschlagenen Volksparteien seither verzweifelt, verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen. Doch so entsteht immer mehr der Eindruck, dass in Berlin Politiker regieren, die gar nicht regieren wollen, zumindest nicht miteinander.

    Seit zwölf Monaten taumelt das Land von einer Hängepartie zur nächsten. Und viele Bürger könnten verzweifeln angesichts der Unwilligkeit mancher Volksvertreter, Verantwortung zu übernehmen. Zuerst ließ FDP-Chef Christian Lindner eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und Liberalen platzen. Dann begann die SPD einen langen, verlustreichen Kampf gegen sich selbst. Bis sie sich doch noch durchrang. Zum Regieren. Es soll Parteien geben, die genau deswegen überhaupt erst bei Wahlen antreten. Dabei ließen Wahlergebnis und Jamaika-Aus praktisch keine andere Möglichkeit.

    Band zwischen Merkel und Seehofer ist längst zerschnitten

    In den Koalitionsverhandlungen nutzte die SPD diese Tatsache dann und setzte den Ton, der für diese in Wahrheit gar nicht mehr so große Koalition so verhängnisvoll werden würde: Entweder wir bekommen unseren Willen oder wir machen nicht mit. Sechs Minister, viel sozialdemokratische Politik im Regierungsprogramm – und trotzdem zerfleischt sich die Partei weiter über die Frage, ob die Opposition die bessere Alternative gewesen wäre.

    In der Union schwelt unterdessen bis heute der ungelöste Konflikt zwischen CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Immer wieder zeigt sich, dass das Band zwischen der CDU-Chefin und CSU-Chef Horst Seehofer in Wirklichkeit längst zerschnitten ist. Auch Seehofer stellt, wenn es ihm um seinen Kurs bei Sicherheit und Migration geht, den Fortbestand der Koalition infrage. Der Dauerstreit nervt viele Menschen nur noch. Und er überschattet die Tatsache, dass die meisten Minister emsig ihre Aufgaben anpacken.

    Doch Regieren ist mehr als nur das Abarbeiten eines Koalitionsvertrags. Regieren bedeutet auch: Reagieren auf das, was am Verhandlungstisch keiner vorausgesehen hat. Und wenn die Regierung jedes Mal ins Wackeln gerät, wenn ein politischer Sturm aufzieht, verlieren die Bürger Geduld und Vertrauen. Das ist gefährlich in diesen aufgewühlten Zeiten, in denen viele Gewissheiten ins Wanken geraten, in denen Globalisierung und Migrationsströme für gewaltige Herausforderungen sorgen.

    Große Koalition taumelt von einer Hängepartie zur nächsten

    Mit einfachen Antworten auf komplizierte Fragen hat es die AfD geschafft, stärkste Oppositionspartei zu werden. Es sind deswegen keine Weimarer Verhältnisse, die in Deutschland herrschen. Aber die Große Koalition muss jetzt alles dafür tun, um endlich zu einem Zustand der Stabilität zu finden. Sonst beschleunigt sich der Niedergang der Volksparteien weiter.

    Dass es den Menschen heute in Deutschland wirtschaftlich so gut geht, ist genau diesen Volksparteien zu verdanken. SPD und Union, ob zusammen oder getrennt, haben in den vergangenen Jahrzehnten die Weichen vernünftig gestellt. Doch es scheint, als ginge bei vielen Politikern nach Jahren des Regierens das Gespür dafür verloren, was die Bürger wirklich umtreibt – die Affäre Maaßen ist dafür nur der jüngste Beweis. Wo eine kompromisslose Position auf die andere trifft, kann am Ende nur ein fauler Kompromiss herauskommen. Ein Kompromiss, den kaum ein Wähler versteht und der das Ansehen der Politik weiter beschädigt. Tröstlich ist im Moment nur eines an der bizarren Maaßen-Affäre. Immerhin besaßen die Beteiligten die Größe, eine unglückliche Entscheidung zu überdenken – und zu korrigieren.

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