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Kommentar: Europa hat sich von Erdogan abhängig gemacht

Kommentar

Europa hat sich von Erdogan abhängig gemacht

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    Erdogan ist noch nicht fertig mit seiner "Säuberung".
    Erdogan ist noch nicht fertig mit seiner "Säuberung". Foto: Stringer/Archiv (dpa)

    Die Europäische Union war und ist weder willens noch imstande, ihre Außengrenzen zu sichern und die Kontrolle über die irreguläre Zuwanderung aus den Krisenregionen der islamischen Welt zu gewinnen. Deshalb – und nur deshalb – hat sich die EU im März auf das brisante, von der Kanzlerin Merkel eingefädelte Geschäft mit der Türkei eingelassen.

    EU hat Erdogan zum Grenzwächter bestellt

    Präsident Erdogan wurde zum Grenzwächter in der Ägäis bestellt, um die über Griechenland insbesondere in Richtung Deutschland drängenden Migrantenströme einzudämmen. Im Gegenzug wurden Ankara sechs Milliarden Euro zur besseren Betreuung der syrischen Flüchtlinge sowie die Visafreiheit für türkische EU-Reisende versprochen. Schon damals war klar, dass sich Europa mit diesem Deal in die Abhängigkeit von Erdogan begeben und erpressbar gemacht hat. Jetzt grassiert in Brüssel und Berlin die Angst, Erdogan könnte das Abkommen aufkündigen und die Schleusen wieder öffnen. Entsprechend leisetreterisch fallen die Reaktionen der Bundesregierung auf die Drohungen der Türkei aus. Merkel und die EU sind auf Erdogan angewiesen. Es gibt keinen Plan B. Die Sicherung der Außengrenze kommt nur im Schneckentempo voran, die Pläne für eine Verteilung der Flüchtlinge auf ganz

    Also heißt die Parole: Stillhalten und hoffen, dass Erdogan aus wirtschaftlichen Gründen vor einem Bruch mit der EU zurückschreckt. Bei allem Respekt vor realpolitischem Pragmatismus: Es ist der lange Hebel Erdogans, der dieses kleinlaute Auftreten bewirkt. Man will dieses Abkommen, das als Modell für Vereinbarungen mit anderen Herkunfts- und Transitstaaten von Flüchtlingen gilt, unbedingt retten. Das ist insofern verständlich, als der Deal ja seinen Zweck bisher durchaus erfüllt hat. Seit die Türkei ihre Küste bewacht, gegen Schleuser vorgeht und die Grenze zu Syrien geschlossen hat, kommen nur noch vergleichsweise wenige Menschen in Griechenland an. Es war vor allem die gegen den Willen Merkels erfolgte Schließung der „Balkanroute“, die den großen Flüchtlingstreck gestoppt hat. Aber auch der Pakt mit der Türkei hat dazu beigetragen und verhindert, dass aus Griechenland ein riesiges Auffanglager wird. Dass Erdogan nun, da er Wort gehalten hat, auf die Einhaltung von Zusagen dringt, ist sein gutes Recht. Doch solange die besprochenen rechtsstaatlichen Bedingungen wie die Lockerung der Anti-Terror-Gesetze nicht erfüllt sind, darf es keine Visafreiheit geben. Gewährt die EU hier Rabatt, käme dies einem Kniefall vor dem Autokraten gleich.

    EU-Beitritt der Türkei kommt auf absehbare Zeit nicht in Frage

    Europa hat es mit einem Mann zu tun, der demokratische Grundwerte mit Füßen tritt und ein autoritäres Regime installiert. Erdogan nutzt den niedergeschlagenen Militärputsch, um sich Zehntausender Kritiker und politischer Gegner zu entledigen und seine Macht auszubauen. Man kann sich in der Politik die Freunde nicht aussuchen; die Türkei ist und bleibt ein wichtiger strategischer Partner des Westens. Doch wegschauen und sich wegducken darf die EU um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen nicht. Zudem wird ja eines immer klarer: Ein EU-Beitritt der Türkei kommt auf unabsehbar lange Zeit nicht in Frage, die Verhandlungen darüber sind vollends zur Farce geworden.

    Im Übrigen gibt es nur einen Weg, um sich aus der Abhängigkeit von Erdogan und seinen Handlangerdiensten zu befreien: Europa muss seine Probleme lösen und die unkontrollierte Zuwanderung aus eigener Kraft stoppen.

    Visafreiheit nur, wenn Bedingungen erfüllt sind

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