Wer sich nicht gegen das Coronavirus impfen lässt, soll das in mehreren Bundesländern finanziell zu spüren bekommen. Wen die Behörden in Quarantäne schicken, weil er oder sie Kontakt zu einem oder einer Infizierten hatten, dem soll die Lohnfortzahlung gestrichen werden. Das Argument dafür lautet: Jeder Erwachsene kann sich impfen lassen und sich damit solidarisch zeigen, denn eine Immunisierung macht es dem Erreger schwerer, sich auszubreiten.
Finanzielle Sanktionen gegen Ungeimpfte sind an den Haaren herbeigezogen
Der Staat zeigt denen, die eine Impfung aus verschiedenen Gründen ablehnen, seine Folterinstrumente. Denn es ist keine Kleinigkeit, eine Mutter oder einen Vater am Geldbeutel zu packen, wenn sie zum Beispiel zu Hause bleiben müssen, weil ihr Kind sich in der Schule mit Corona angesteckt hat. Sie werden bestraft, weil sie die Eltern dieses Kindes sind, das das Pech hatte, sich anzustecken. Das gilt genauso für den Fall, der Arbeitskollege eines Angesteckten zu sein.
Es ist nicht umsonst ein wichtiger rechtlicher Grundsatz, dass ich nur für mein eigenes Handeln verantwortlich gemacht werden kann. Hier jemanden dafür zu sanktionieren, weil er etwas unterlassen hat (eine Impfung), ist an den Haaren herbeigezogen. Bei der Gesundheit gilt in Deutschland, das Prinzip der Solidarität weit auszulegen. Wenn sich jemand schlecht ernährt, zu viel Fleisch isst, wird ihm bei einer Herzerkrankung trotzdem genauso geholfen wie dem sportlichen Vegetarier. Der Fleischfreund muss auch keine höheren Beiträge zur Krankenkasse zahlen, obwohl er sich im Sinne des Klimaschutzes unsolidarisch verhält.
Bund und Länder stehen vor dem Problem, dass die Impfkampagne nur noch schleppend vorangeht. Ohne Frage spricht alles dafür, sich die schützenden Spritzen geben zu lassen. Neun von zehn Corona-Patienten auf den Intensivstationen in Deutschland sind nicht geimpft. Der Impfkampagne Schwung zu verleihen durch die Aufgabe bedeutsamer Prinzipien des Zusammenlebens, ist dennoch der falsche Weg.