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Kommentar: Ein großer Knall löst nicht alle Probleme der CSU

Kommentar

Ein großer Knall löst nicht alle Probleme der CSU

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    Der Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel spitzt sich zu.
    Der Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel spitzt sich zu. Foto: Carsten Koall, dpa

    Die CSU hat eine Obergrenze abgeschafft. Damit ist, Gott bewahre, natürlich nicht jene Obergrenze für Migranten gemeint, für welche die Christsozialen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise so erbittert wie vergeblich gekämpft haben. Gemeint ist eine selbst verordnete Obergrenze: nämlich die Grenze im Kopf, an den Bruch der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auch nur zu denken. Heißt konkret: Die

    In Sitzungen am Donnerstag in Berlin, das derzeit an eine Treibjagdstätte erinnert, kam dies offen zur Sprache. „Es fehlt nicht mehr viel“, verriet ein prominenter Abgeordneter unseren Kollegen – und auch CSU-Chef Horst Seehofer schien über so eine Aussicht zumindest nachzudenken (Lesen Sie dazu: CSU droht im Asylstreit mit Ende der Unions-Fraktion).

    Selbst wenn die „maximale Eskalation“, von der die Christsozialen in diesen Tagen ja immer wieder sprechen, am Nachmittag erst einmal abgeblasen wurde und ein wie auch immer fadenscheiniger Kompromiss mit der CDU wahrscheinlich ist: Unverkennbar wirkt die Drohung mit dem großen Bruch nicht mehr befriedend – wie in der Vergangenheit schon aus Angst vor einer Wiederholung des Desasters von 1976, als die Partei in Kreuth erst die Trennung verkündete, sie dann aber zurücknehmen musste.

    Die AfD treibt die CSU zum Äußersten

    Im Gegenteil: Zumindest die CSU-Landtagsfraktion – und vielleicht auch der bayerische Ministerpräsident – wirken durch eine solche Aussicht nur noch beflügelt.Von ihrer Warte sieht die Welt so aus: Die CSU ackert sich in Bayern ab, stellt eine Rekordbilanz nach der anderen auf, brennt Wahlkampf-Feuerwerke voller grandioser Vorschläge ab, bis hin zum Raumfahrtprogramm und Reiterstaffeln – doch die AfD wird in den Umfragen nicht kleiner, sondern größer.

    Und die Schuld darin liegt für die Anhänger dieser Denkschule in Berlin, wo Angela Merkel regiert und Horst Seehofer (der andere für die CSU-Landtagsfraktion bereitstehende Sündenbock) nicht wie erhofft durchregiert. Die AfD sei ja nicht in Bayern entstanden, sagte Ministerpräsident Söder gerade bei unserem Augsburger Allgemeine Forum, unter großem Applaus.

    Diese Gruppe ist überzeugt: Solange die Mutter der Flüchtlingspolitik nicht weg ist, wird auch die AfD nicht verschwinden. Also lieber den ganz großen Knall als wieder eine kleine Lösung. „Diesmal gewinnen wir“, heißt es in der CSU – aber der Hauptpreis wäre wohl erst die Trophäe Merkel. Nur: Würde es dann wirklich einen großen Gewinner geben oder nur viele Verlierer?

    Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich schon. Auch diesmal könnte die CDU nach einer Unionsspaltung drohen, dann halt in Bayern anzutreten. Zudem ist keineswegs ausgemacht, dass Merkel unbedingt von einem Flüchtlings-Hardliner ersetzt würde. So gering ist die Rückendeckung für ihre Politik in der CDU gar nicht.

    Kommt es im Asylstreit zum großen Knall zwischen CDU und CSU? In unserem Podcast "Bayern-Versteher" sprechen wir über die Hintergründe.

    Und schließlich: Zumindest der Glaube, dass die CSU ihrer Sorgen ledig sei, sobald Merkel abtreten muss, ist naiv. Natürlich arbeitet sich ein Teil der AfD-Wählerschaft vor allem an der Flüchtlingspolitik ab. Aber es gibt auch viele, deren Unmut aus anderen Quellen stammt. Der Angst vor der neuen Moderne, vor den Umwälzungen der Digitalisierung, die selbst das erfolgsverwöhnte Bayern blitzschnell transformieren könnten. Und durchaus auch die Lust, die Institutionen und alle „die da oben“ gar nicht mehr zu respektieren.

    Diesen Leuten muss die CSU (wieder) etwas bieten. Stattdessen nur auf den ganz großen Knall zu setzen, der angeblich alles klären soll, erinnert eher an: den Selbstmord aus Angst vor dem eigenen Tod.

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