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Kommentar: Die seltsame Angst der Deutschen vor dem Freihandel

Kommentar

Die seltsame Angst der Deutschen vor dem Freihandel

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    Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA steht stark in der Kritik.
    Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA steht stark in der Kritik. Foto: Peter Endig (dpa)

    Bayern ist einer der großen Profiteure der Globalisierung. Dass sich die Arbeitslosigkeit seit 2005 im Freistaat mehr als halbiert hat und in vielen Regionen nahezu Vollbeschäftigung herrscht, hängt wesentlich mit den enormen Exporterfolgen heimischer Unternehmen zusammen. Ob BMW, Audi, der Roboterbauer Kuka oder die unzähligen mittelständischen Familienfirmen: Sie haben nach schmerzlichen Anpassungsprozessen an die Spielregeln der Globalisierung den Wettbewerb angenommen und mit Innovationen Marktanteile hinzugewonnen.

    Globalisierung: USA ist für Bayern der wichtigste Handelspartner

    Dass etwa für Audi in Ingolstadt heute unglaubliche 40.590 Menschen arbeiten, ließ sich vor 20 Jahren nicht absehen. Damals waren in der Stadt 23.285 Menschen bei dem Autobauer beschäftigt, der gerade in China früh seine Chancen genutzt hat. Viele Bayern haben einen Wohlstandssprung vollzogen und dennoch bekämpfen einige oft gut verdienende Bürger einen Ausbau des Freihandels und damit das geplante Abkommen TTIP mit den USA. Wie passt dies zusammen?

    Rational lässt sich das nicht erklären, zumal die USA für Bayerns Exporteure vor China der wichtigste Handelspartner sind. Amerikanische Konsumenten, die einen Audi kaufen, sichern hierzulande Arbeitsplätze. Auch Töchter und Söhne von TTIP-Gegnern finden sicher bei Export-Firmen einen guten Job und können Familien gründen. Trotzdem wenden sich auffallend häufig ältere Bürger gegen eine Ausweitung des Freihandels. Und das, obwohl eine Liberalisierung zu einem Wegfall von Zöllen und einer kostensenkenden Vereinheitlichung technischer Standards führt. Das würde auch Jobs in Ingolstadt sichern, gerade wenn die Zeiten schlechter werden.

    Freihandel: Deutsche Bürger haben Angst vor allem Neuen

    Aber das sind alles vernunftgesteuerte Argumente. Bei dem Thema waltet eine Befindlichkeit namens „German Angst“. Für den Münchner Wirtschafts-Psycholgen Felix Brodbeck haben die Deutschen immer mehr Angst als andere Kulturen. Demnach leidet manch saturierter Bürger unter der Furcht vor allem Neuen. Sie haben Angst vor Zuwanderung, auch wenn wir dringend zusätzliche Arbeitskräfte brauchen.

     Derartige Bedenken-Bürger, die im linken wie im rechten Lager zu finden sind, behaupten, sie müssten Chlorhühner, Hormonfleisch und gentechnisch veränderte Nahrung aus den USA essen, wenn das Freihandelsabkommen zustande kommt. Diese Ängste sind aber unbegründet. Wer die inzwischen von der EU veröffentlichten Verhandlungspapiere studiert, kann sich davon überzeugen. Langsam sollten Verschwörungstheorien einer rationalen Betrachtung weichen. So setzen sich die europäischen Verhandlungsführer auch dafür ein, dass die kommunale Wasserversorgung nicht in US-Hände fällt oder wir weiter mit Steuermitteln Theater und Orchester fördern können.

    Gabriel ist die beste Medizin gegen „German Angst“

    Viele Ängste der TTIP-Gegner sind damit gegenstandslos. In einem gewichtigen Punkt liegen die Skeptiker jedoch richtig: Noch ist der Vorstoß der Amerikaner nicht vom Tisch, mit Schiedsgerichten eine Paralleljustiz für Unternehmen einzuführen. Das ist mit unserem Rechtsverständnis nicht vereinbar. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der mit Engelsgeduld TTIP-Gegner auch in eigenen SPD-Reihen umstimmen will, versucht hier einen Kompromiss auszuloten. Gelingt ihm das, haben die Freihandels-Feinde kaum noch Argumente für ihre seltsame Fundamental-Opposition. Gabriel macht als

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