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Kommentar: Die Wut der Dieselfahrer treibt die Politik zum Handeln

Kommentar

Die Wut der Dieselfahrer treibt die Politik zum Handeln

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    Nachsitzen: Volkswagen muss im Zuge der Rückrufaktion in Deutschland rund 2,6 Millionen Diesel-Autos in seinen Werkstätten nachrüsten.
    Nachsitzen: Volkswagen muss im Zuge der Rückrufaktion in Deutschland rund 2,6 Millionen Diesel-Autos in seinen Werkstätten nachrüsten. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    Eigentlich ist es wie so oft. Die Politik wartet, bis es gar nicht mehr anders geht. Erst dann sucht sie unter größtem Druck Lösungen. Dass in deutschen Großstädten die strengen Stickoxid-Grenzwerte angesichts des wachsenden Verkehrs nicht auf Dauer einzuhalten sind, war lange bekannt. Dass ältere Dieselfahrzeuge eine Ursache schlechter Stadtluft sind, ist auch keine neue Erkenntnis.

    Und doch zauderte die Politik. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kümmerte sich lieber um die umstrittene Autobahn-Maut, statt frühzeitig gegenzusteuern. Landesregierungen schauten beschämt weg. Niemand wollte die Millionen Fahrer älterer Dieselautos vergrätzen. Niemand hatte Lust, sich mit der mächtigen Autoindustrie anzulegen. Niemand wollte Arbeitsplätze gefährden. Allein in Bayern hängen 400000 Jobs an dieser Industrie.

    Doch plötzlich brennt der Baum. Eine kleine Truppe von Umweltaktivisten klagte und schon drohen tatsächlich Fahrverbote für Dieselautos. Stuttgart, wo das Verwaltungsgericht das nun fordert, wird nur der Anfang sein. In München, das im Verkehr erstickt, erwägt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Diesel-Aussperrung. Auch in Augsburg werden die Stickoxid-Grenzwerte schon in zehn Straßenabschnitten überschritten.

    Es wäre kein Wunder, wenn es im nächsten Winter die ersten Fahrverbote gäbe. Obwohl sich das Bundesverwaltungsgericht erst im Frühjahr 2018 mit dem Thema befassen wird.

    Industrie und Politik haben dem Dieselmotor einen erheblichen Schaden zugefügt. VW, Audi und Co. begingen Betrug mit ihren Abgas-Schummeleien. Und die Politik ließ die Industrie machen, ohne genau hinzuschauen. Die Tricksereien waren billiger als eine Weiterentwicklung der Motoren, um den Stickoxid-Ausstoß zu reduzieren. Dass das jetzt plötzlich möglich ist und nun saubere Diesel angepriesen werden, ist ein Treppenwitz.

    Den mehr als zwölf Millionen Besitzern älterer Diesel wird das kaum helfen. Der Imageschaden für den einst in Augsburg erfundenen Selbstzünder ist riesig. Die Dieselkäufer von gestern sind den Empfehlungen der Politik gerne gefolgt, Autos zu fahren, die weniger verbrauchen. Sie tankten günstig und erfreuten sich der Steuernachlässe. Jetzt fallen die Preise für ihre Gebrauchtwagen rasant.

    Alle wissen, dass die Elektromobilität sich durchsetzt

    Wer sich das vor Augen hält, kann die Angst von Politik und Herstellern vor der Wut der Diesel-Fahrer verstehen. Nur deshalb treffen sie sich am Mittwoch zum hektisch einberufenen Diesel-Gipfel. Hätten sie sich vor Jahresfrist zusammengesetzt, um Maßnahmen für den Gesundheitsschutz in den Städten zu beschließen, wäre mehr zu retten gewesen.

    Vielleicht gelingt es ja, mit dem nun angebotenen Mobilitätsfonds die Stadtluft etwas sauberer zu machen. Vielleicht helfen auch die nun diskutierten Steuervorteile, dass der eine oder andere auf einen neuen „Clean-Diesel“ umsteigt.

    Doch den globalen Trend zur Elektromobilität haben deutsche Politik und Industrie verschlafen. Hier geben US-Anbieter wie Tesla den Ton an. Im Riesenmarkt Asien dominiert BYD aus China – und stattet sogar London mit Elektrobussen aus. Amerikaner und Asiaten wetteifern um die innovativsten Ideen in der Batterienherstellung. Das ist die Schlüsseltechnologie, denn längere Fahrtzeiten machen E-Autos noch attraktiver.

    Deutsche Spitzenmanager und Politiker wissen längst, dass die Elektromobilität sich durchsetzen wird. Die Hersteller müssen eine technologische Aufholjagd starten, sonst droht der Verlust hunderttausender Auto-Jobs. Die Zeit des Wartens und Taktierens ist vorbei.

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