Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Die Reform des Gymnasiums nützt auch anderen Schulen

Kommentar

Die Reform des Gymnasiums nützt auch anderen Schulen

    • |
    Zwei Schülerinnen eines Gymnasiums arbeiten gemeinsam an einer Mathematik-Aufgabe. Der Prozentsatz der jungen Leute in Bayern, die ein Abitur ablegen, steigt seit einigen Jahren.
    Zwei Schülerinnen eines Gymnasiums arbeiten gemeinsam an einer Mathematik-Aufgabe. Der Prozentsatz der jungen Leute in Bayern, die ein Abitur ablegen, steigt seit einigen Jahren. Foto: Oliver Dietze/dpa

    Am Anfang sollte es „nur“ die Reform des bayerischen Gymnasiums werden. Die Aufgabe war schwierig genug. Doch jetzt ist es viel mehr. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) und die Regierungsfraktion haben nicht nur entschieden, dass Bayerns Gymnasiasten wieder neun Jahre Zeit haben, um das Abitur zu erlangen. Ihnen ist noch rechtzeitig bewusst geworden, dass in der Bildung vieles zusammenhängt und man nicht nur eine Schulart isoliert betrachten sollte.

    Jetzt haben sie ein Reformpaket erarbeitet, das über 1800 neue Lehrer für alle Schularten vorsieht. Ein Paket, das „für ein Vierteljahrhundert trägt“, wie Spaenle es selbstbewusst formuliert. Aus diesen Worten spricht Erleichterung. Der Bildungsminister hat die Präsentation seiner Pläne seit vier Monaten hinausgezögert, manche sahen ihn schon auf der Abschussliste. Der neue Bildungspakt aber ist zum einen eine Rieseninvestition, die das Bildungssystem stärkt. Zum anderen – das ist mindestens genauso wichtig – zeigt die CSU: Wir verlieren die anderen Schultypen nicht aus dem Blick.

    Lange genug waren deren Bedürfnisse untergegangen. Seit Jahren schien sich die Politik nur noch damit zu befassen, ihre Fehler bei der überstürzten Einführung des achtstufigen Gymnasiums zu korrigieren. Eltern und Lehrer an anderen Schularten hätten wohl am liebsten geschrien: „Wir sind auch noch da!“

    Der Mittelschule haftet ein Vorurteil an

    Die Realschulen bangten mit am meisten, was die Reform des Gymnasiums bringen würde. Vielerorts befürchtete man, dass das neue G9 nur eine Soft-Version des stressigen achtstufigen Gymnasiums wird und Schüler von der Realschule dorthin abwandern könnten.

    Das sind die Eckpunkte für das G9

    In der Unter- und Mittelstufe soll der Unterricht am Nachmittag deutlich reduziert werden.

    Die Kernfächer sollen gestärkt werden. Das gilt auch für die Fächer Geschichte und Sozialkunde. Damit soll künftig ein stärkerer Fokus auf das Thema politische Bildung gelegt werden.

    Zudem soll Informatik Pflichtfach in allen Ausbildungseinrichtungen werden.

    Die Einführung ist für das Schuljahr 2018/2019 geplant. Betroffen sind die Jahrgangsstufen 5 und 6. (sast)

    Schon jetzt wechseln über 40 Prozent der Grundschüler eines Jahrgangs aufs Gymnasium. Indem die CSU den Anspruch des Gymnasiums halten und den Lehrplan mit zusätzlichem Stoff anreichern will, statt nur die alten Inhalte zu strecken, nimmt sie der Angst vor dem Ausbluten der Realschule die Grundlage. Zusätzlich will der Kultusminister dort die Lehrerreserven erhöhen – ebenso wie an Mittelschulen. Auch deren Schicksal hängt enger mit der Zukunft des Gymnasiums zusammen, als auf den ersten Blick ersichtlich ist.

    Seit so viele Kinder wie nie das Abitur anstreben, haftet der Mittelschule das Stigma einer „Restschule“ an, eines Auffangbeckens für Leistungsschwache und Übriggebliebene. Noch dazu herrscht dort Lehrermangel. Oft reicht schon eine Grippewelle, um die Unterrichtsversorgung zu bedrohen. Dass die CSU mehr Springer einsetzen will, die in Notfällen an den Schulen aushelfen, lindert die Not nicht ernsthaft – zumal in den kommenden Jahren wegen vieler schulpflichtiger Asylbewerber mit einem Lehrerbedarf im hohen dreistelligen Bereich zu rechnen ist. Die Aufstockung ist jedoch zumindest ein positives Signal. Viel mehr ist momentan auch gar nicht möglich.

    Woher sollen die zusätzlichen Lehrer für die Mittelschulen kommen?

    Denn eine Frage bleibt trotz allem Reformwillen offen: Woher sollen die zusätzlichen Lehrer kommen? Das Studium auf Lehramt Mittelschule ist wenig beliebt, die Absolventen reichen jetzt schon kaum aus, um alle Stellen zu füllen. Gymnasiallehrer hingegen stehen jedes Jahr zu hunderten auf der Straße. Eine Lösung könnte sein, über die Besoldungsstufen nachzudenken. Noch immer verdienen Mittelschullehrer weniger als ihre Kollegen am Gymnasium.

    Fest steht: Die Staatsregierung investiert viel mehr in die Schulreform, als man erwarten konnte. Im Moment schwimmt sie im Geld. Und sie setzt es sinnvoll ein. Diese Erkenntnis überwiegt im Rückblick bei weitem den Ärger darüber, dass die Entscheidung so lange gedauert hat.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden