Der viel gescholtene öffentlich-rechtliche Rundfunk konnte zuletzt über zwei "gute Nachrichten" in eigener Sache berichten. Erstmals in der Geschichte des Bayerischen Rundfunkswurde mit Katja Wildermuth eine Frau an die Senderspitze gewählt. Ein Zeichen der Gleichstellung und des Aufbruchs. Wobei sich die Medienmanagerin nicht auf ihr Frausein reduzieren lässt. Sie ist bestens geeignet, die ARD-Anstalt in die digitale Zukunft zu führen.
Davor waren die Ergebnisse einer repräsentativen Studie publik geworden, in der ARD, ZDF und Deutschlandradio eine überaus hohe Glaubwürdigkeit bescheinigt wurde. 82 Prozent beurteilten die Corona-Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als gut oder sehr gut.
Zeit, sich darüber zu freuen, hat auch Wildermuth kaum. Was an nicht nachlassender Kritik an Programm- und journalistischen Inhalten liegt. Sowie an der ab Januar geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro monatlich pro Haushalt, die auf der Kippe steht.
In der Debatte um den Rundfunkbeitrag glänzen Politiker mit Polemik, nicht mit Vernunft
Mitte Dezember wird, Stand jetzt, die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt gegen die Erhöhung stimmen. Es wäre – wo findet sich Vergleichbares? – die erste seit 2009. Weil alle 16 Länderparlamente die entsprechende Staatsvertragsänderung ratifizieren müssen, hängt sie an wenigen Abgeordneten, die bislang mit Polemik, nicht mit Vernunft glänzten.
Denn die Summe von 18,36 Euro ist ein Kompromiss, und kein schlechter. Sie wurde in einem bewährten Verfahren von einer unabhängigen Sachverständigenkommission, der KEF, vorgeschlagen – nach ausführlicher Prüfung und deutlicher Ermahnung, weiter zu sparen. Die Anstalten hatten mehr gefordert und, teils polemisch, ein Horrorbild massiver Einsparungen bei Personal und Programm gemalt. Vernünftig wäre es, den Kompromiss (dieses Mal noch) zu akzeptieren – und ab Januar mit Nachdruck über eine Reform der Öffentlich-Rechtlichen zu diskutieren. Unter der Leitfrage: Welchen Rundfunk wollen wir? Findet sich eine politische Mehrheit, das KEF-Verfahren zu ändern oder zu ersetzen: Bitteschön!
Stattdessen beschädigen nicht nur "Staatsfunk"-Schreier beständig die Akzeptanz jener unabhängigen Institution, die eine gewichtige Rolle in unserer Demokratie spielt. Parteiübergreifend schwafeln Politiker undifferenziert von "Erziehungsfernsehen" oder nutzen Beiträge, die ihnen nicht gefallen, zur Generalabrechnung. In diesen aufgewühlten Zeiten, in denen es mehr Qualitätsjournalismus braucht (auch in ARD, ZDF und Deutschlandradio), ist das eine gefährliche Entwicklung. Was nicht heißen soll, dass es nichts an den Sendern zu kritisieren gäbe. Im Gegenteil.
Auch Forscher üben heftige Kritik. Allerdings ist diese selbst teils fragwürdig
Vereinzelt haben sich auch Forscher zum Beispiel mit der öffentlich-rechtlichen Corona-Berichterstattung der ersten Jahreshälfte befasst, in wissenschaftlich höchst unterschiedlicher Qualität. Wenn Stephan Russ-Mohl etwa in einem Zeitungsgastbeitrag Medien, insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, pauschal vorwirft, mit einem "grotesken Übersoll an Berichterstattung" Angst zu verbreiten, ist das selbst fragwürdig – angesichts eines weltweiten Jahrhundertereignisses mit Auswirkungen auf sämtliche Bereiche des Lebens. Journalisten berichten nun mal über das, was ist. Die Frage ist doch, wie sie es tun. Eine Kritik müssten sich Senderverantwortliche dennoch zu eigen machen: Ihre Sender hätten zeitweise zu wenig Einordnung geliefert, zu wenig Recherche betrieben und seien zu behördennah gewesen.
Was aus all dem folgen sollte? Weniger Polemik auf allen Seiten und ein überzeugenderes öffentlich-rechtliches Programm.
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