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Kommentar: Die "Idee Amerika" ist unter Beschuss

Kommentar

Die "Idee Amerika" ist unter Beschuss

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    Donald Trump, Präsident der USA, überschreitet die Grenzen des politischen Anstands.
    Donald Trump, Präsident der USA, überschreitet die Grenzen des politischen Anstands. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

    Amerika, das ist vor allem eine Idee. Eine ungeheuer mutige. Man muss sich nur die ersten Sätze der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung durchlesen, um Gänsehaut zu bekommen, heute noch. Während es im damals so vermeintlich zivilisierten Europa vor allem um das Glück der Könige ging - im Jahr 1776 hatte nicht einmal die Französische Revolution begonnen -, dreht sich darin schon alles um die „pursuit of happiness“. Das ganz persönliche Streben nach Glück also, und zwar für alle, ganz egal, wer Deine Eltern waren oder in welche Ecke des Landes es Dich verschlagen hat. Nichts Geringeres als eine „leuchtende Stadt auf dem Hügel“ wollten die amerikanischen Verfassungsväter erreichen – eine, die die ganze Welt anlockt.

    Natürlich ist Amerika dieser Idee niemals gerecht worden, wie auch? Als die Unabhängigkeitserklärung gedruckt wurde, durften Frauen noch nicht wählen, Schwarze wurden noch als Sklaven gehalten. Später hat ein besonders brutaler Bürgerkrieg das Land beinahe zerrissen – und als 2008 mit Barack Obama schließlich ein afro-amerikanischer Präsident ins Weiße Haus einzog, konnten dessen Sicherheitsberater die Morddrohungen gegen die „Gorillafamilie Obama“ kaum noch zählen.

    Der Präsident muss das Land einen, nicht spalten

    Aber all diese Fehler – und es gäbe noch viele mehr zu nennen – konnten die so richtige urmenschliche Gründungsidee Amerikas nicht falsch machen, von der auch wir Deutsche profitiert haben, als die Amerikaner uns nach dem Zweiten Weltkrieg die Demokratie beibrachten. Zudem gab es ein verlässliches einendes Element: egal wie schlecht es dem Land ging: Dass Amerikas Präsident, ganz gleich wie umstritten er selber war, an die nobleren Seiten unserer menschlichen Natur appellierte.

    Das ist vorbei. Die furchtbaren Schüsse von El Paso und Dayton, zwei Massaker binnen gerade einmal 24 Stunden, haben die ganze Welt daran erinnert.

    Dabei geht es gar nicht um die ewige Frage nach dem Waffenrecht – und auch nicht darum, ob die Schüsse Präsident Donald Trump zuzuschreiben seien, wie manche Kommentatoren nun schreiben. Natürlich hat Trump nicht die Gewehre besorgt, er hat nicht selbst die Kugeln eingelegt. Aber den Vorwurf, geistiger Brandstifter zu sein, muss er sich gefallen lassen. Der US-Präsident hat über Jahre Neonazi-Umtriebe verharmlost, weiße Extremisten als prima Leute dargestellt, gerade erst das überwiegend schwarze Baltimore mit einem Rattenloch verglichen. Aus seinem Abscheu für Mexiko hat er nie einen Hehl gemacht – und an der Grenze zu

    Auch Kanzlerin Merkel muss Trump die Grenzen aufzeigen

    Vor allem aber hat Trump besagte ureigenste Pflicht jedes US-Präsidenten unterlassen: den Versuch, das Land – und damit auch ein wenig die Welt – irgendwie zu einen. Bislang hatte er daran ja kein Interesse: je zerstrittener die Nation, desto besser schienen seine (Wieder)Wahlchancen.

    Was das heißt, etwa für den US-Wahlkampf 2020? Der kann keiner wie irgendeiner vorher sein. Trumps Gegner müssen offen ansprechen, wie es das Land zerreißt – und wir Deutsche, wir Europäer müssen dies auch tun.

    Dabei gilt es fein abzuwägen, wie es Kanzlerin Angela Merkel vorgemacht hat – zu zeigen, dass wir auf gar keinen Fall den Austausch mit den Amerikanern meiden. Aber mit Trump schon, wenn er bestimmte Grenzen überschreitet.

    Es gibt nämlich, selbst in der Ära Trump, Grenzen des Anstands. Vielleicht ist es nicht einmal hoffnungslos, ihn selbst daran zu erinnern. Trumps seltsam unsicherer Auftritt nach den Schüssen legte nahe: So schön ist es nicht, überall als Rassist zu gelten.

    Lesen Sie dazu auch: Wie viel Schuld trägt Donald Trump an der Gewalt in den USA?

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