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Kommentar: Die Grünen wollen mitregieren, statt in der Nische zu versauern

Kommentar

Die Grünen wollen mitregieren, statt in der Nische zu versauern

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    06.03.2019, Bayern, München: Katharina Schulze l-r, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag, Henrike Hahn, bayerische Spitzenkandidatin zur Europawahl von Bündnis 90/Die Grünen und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen prosten beim politischen Aschermittwoch von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern mit Bierkrügen. Foto: Tobias Hase/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
    06.03.2019, Bayern, München: Katharina Schulze l-r, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag, Henrike Hahn, bayerische Spitzenkandidatin zur Europawahl von Bündnis 90/Die Grünen und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen prosten beim politischen Aschermittwoch von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern mit Bierkrügen. Foto: Tobias Hase/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Tobias Hase, dpa

    Mitregieren. Wo immer es nur geht. Statt immer nur dagegen sein: Die vor fast 40 Jahren als Anti-Parteien-Partei gestarteten Grünen wollen nicht mehr das Häuflein Aufrechter sein, das in der Nische die reine Lehre predigt und deshalb dort versauert. Sondern eine für einen möglichst breiten Querschnitt der Bürger wählbare politische Kraft, offen für die Zusammenarbeit mit allen Parteien außer der AfD.

    Lieber in wechselnden Koalitionen langsam verändern als auf Dauer an den eigenen Ansprüchen scheitern – in den Debatten um das neue Grundsatzprogramm wird klar, wie die Grünen ihre künftige Rolle sehen. „Bündnispartei“ wollen sie sein, die Bezeichnung Volkspartei scheut die Spitze um Robert Habeck und Annalena Baerbock wie der Teufel das Weihwasser. Volkspartei, das klingt nach Krise, das klingt vor allem nach SPD. An der die Grünen in vielen Umfragen inzwischen locker vorbeiziehen.

    Die Grünen haben sich für neue Wählerschichten geöffnet

    Bemerkenswert bei diesem politischen Überholvorgang: Viele Sozialdemokraten glauben ja, dass die Misere ihrer Partei daran liegt, dass sie inhaltlich zu beliebig geworden ist, sich zu wenig um ihre klassische Klientel gekümmert und zu viel mitregiert hat. Bei den Grünen dagegen gilt genau das als Erfolgsrezept. Sie haben sich immer stärker für neue Wählerschichten geöffnet. Aus dem alternativen Milieu sind sie weit auch in wertkonservative und bildungsbürgerliche Kreise hinein gerückt.

    Während Teile der SPD im Regieren, wenn es nicht unter eigener Federführung ist, ein gefährliches Übel sehen, zeigen die Grünen keinerlei Scheu vor der Macht. Sie sind an neun Landesregierungen beteiligt, stellen in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten, mit der CDU als Juniorpartner. Darüber hinaus gibt es die buntesten Kombinationen: Ob Schwarz-Grün in Hessen, Rot-Grün in Bremen und Hamburg, Rot-

    Schwächelt die SPD, lange Jahre natürlicher Bündnispartner, wird die Union umarmt. Es ist bezeichnend, dass eine Jamaika-Koalition im Bund nicht an den Grünen, sondern der FDP gescheitert ist.

    Die Grünen agieren jetzt pragmatischer als früher

    Möglich geworden ist der gewaltige Erfolg der Grünen durch eine große Bereitschaft zum Wandel. Ihr Ur-Anliegen, den Schutz der Umwelt, hat die Partei nicht aufgegeben. Sie verfolgt es aber auf eine ganz andere, pragmatischere und optimistischere Art. Die Grünen von heute verlangen ihren Anhängern kein ökologisch mustergültiges Verhalten mehr ab. Nicht der Einzelne soll durch Verzicht die Welt retten, der Staat und die Wirtschaft sollen es tun. Von Verbotsdebatten lassen die Grünen die Finger, seit sie sich selbige mit der Forderung nach einem fleischfreien „Veggie Day“ in Kantinen verbrannt haben. Als der Abgeordnete Dieter Janecek kürzlich laut über die Einschränkung von Flugreisen zum Schutz des Klimas nachdachte, kam Gegenwind auch aus den eigenen Reihen.

    Dass der sterbende Wald, der vergiftete Rhein und der drohende Strahlentod nicht mehr als Wahlkampfschlager taugen, liegt auch daran, dass grüner Druck zu schärferen Umweltgesetzen und Atomausstieg führten. Weiterentwickelt haben sich die Grünen auch, wenn sie nun anerkennen, dass Polizei und Bundeswehr vielleicht doch nötig sind, Zuwanderung auch Ordnung braucht. Inhaltlich flexibel, offen in alle Richtungen, keine Scheu vor dem Regieren – das ist die Zukunftsformel der Grünen. Sie wollen alles anders machen als die SPD – hört sich nach einem erfolgversprechenden Plan an.

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