Niemand weiß, wie viele Flüchtlinge sich bereits in Deutschland aufhalten. Viele sind eingereist, ohne registriert worden zu sein; viele tauchen unter. Niemand weiß, mit wie vielen Flüchtlingen im Verlaufe dieses Jahres zu rechnen ist. Der Staat, der Recht und Gesetz zu gewährleisten hat, tappt im Dunklen.
Bis in den Sommer hinein hatten die Behörden eine Zahl von rund 400 000 genannt – eine Prognose, die sich kurz danach als Makulatur erwies. Dann war von rund 800.000 Neuankömmlingen die Rede. Und nun heißt es, es könnten an die 1,5 Millionen sein. Schwer zu sagen, wie realistisch diese alarmierende Schätzung ist. Sicher ist, dass die Zahl 800.000 weit überschritten wird. Täglich passieren bis 15.000 Menschen allein die bayerische Grenze; ein Ende des Zustroms ist nicht in Sicht. Die Krise, die zunächst dank der enormen Anstrengungen von Kommunen, Behörden und hunderttausenden Helfern irgendwie beherrschbar schien, spitzt sich dramatisch zu. Seehofer warnt zu Recht vor einem „Kollaps“.
Bis zum Sommer könnten es bis zu 1,5 Millionen Flüchtlinge sein
Die Entwicklung der Flüchtlingszahlen lässt nur zwei Schlüsse zu. Erstens: Der Staat hat die Kontrolle über sein Staatsgebiet verloren. Sein Recht darüber zu entscheiden, wer von außerhalb der EU einreisen darf oder nicht, ist außer Kraft gesetzt. Zweitens: Die Grenzen dessen, was Deutschland leisten kann, werden demnächst erreicht.
Es geht ja nicht nur darum, die Menschen anständig unterzubringen und zu versorgen. Das kriegen wir dank der Hilfsbereitschaft womöglich auch noch bei 1,5 Millionen hin. Es geht vor allem darum, die aus dem muslimischen Kulturkreis stammenden Flüchtlinge so zu integrieren, dass diese Masseneinwanderung ohne innere Verwerfungen und soziale Verteilungskämpfe gelingt. Auf dem Spiele steht nicht weniger als die gesellschaftliche und politische Stabilität des Landes. Zumal ja der Zustrom weitergehen wird und viele jener, die hier Asyl oder ein Bleiberecht erhalten, ihre Familien nachholen werden.
Seehofer warnt vor einem "Kollaps" der Flüchtlingskrise
Wer jetzt noch, wie viele Politiker insbesondere aus dem rot-rot-grünen Lager, die Grenzen der Aufnahmefähigkeit leugnet und jeden Hinweis auf die Risiken unkontrollierter Zuwanderung als ausländerfeindlich abtut, nimmt entweder die Realität nicht zur Kenntnis oder träumt von einer „anderen“, einer multikulturelleren Republik. Ja, wir brauchen Zuwanderung und müssen humanitäre Hilfe leisten. Aber wenn die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippen, die Eingliederung klappen und das Grundrecht auf politisches Asyl Bestand haben soll, dann muss es zu einer Begrenzung der Aufnahmezahlen kommen. Wahr ist: Das gelingt nur durch gemeinsames europäisches Handeln und gewiss nicht über Nacht. Und das Versprechen, jedem Bürgerkriegs- oder Armutsflüchtling Zuflucht zu gewähren, ist nicht länger einzulösen. Die Politik steht in der Pflicht, dieser Krise Herr zu werden – und sei es mit Maßnahmen, die als hartherzig erscheinen, aber unvermeidbar sind.
Zuwanderungsbegrenzung für Flüchtlinge scheint großkoalitionäre Politik zu werden
Die Begrenzung der Zuwanderung, eben noch im öffentlichen Diskurs als rechtsradikale Idee gebrandmarkt, scheint nun großkoalitionäre Politik zu werden. Spitzenpolitiker von CDU und SPD reden von der Sicherung der EU-Außengrenzen, begrenzten Aufnahmekapazitäten und Flüchtlingskontingenten. Es ist eine Kurskorrektur unter dem Druck der CSU und der nackten Zahlen. In Merkels Reden hingegen klingt dies alles nur im Kleingedruckten an. Merkel weiß auch, dass es so nicht weitergehen kann. Aber warum sagt sie nicht endlich klipp und klar, dass Deutschlands Aufnahmefähigkeit begrenzt ist? Es wäre ein wichtiger Beitrag, um die Bürger davon zu überzeugen, dass der Politik der Ernst der Lage bewusst ist.