Der Präsident will sich zurückholen, was den Amerikanern seiner Meinung nach zusteht. Diese Politik könnte dramatische Konsequenzen haben.
Nach einer Woche transatlantischer Mund-zu-Mund-Beatmung muss man trotz mancher Freundlichkeiten nüchtern bilanzieren, dass weder der charmierende französische Präsident noch die nüchterne deutsche Kanzlerin beim Poltergeist im Weißen Haus ein neues Gefühl der Verbundenheit oder gar ein tieferes Verständnis für Europa wecken konnten. Im Universum des amerikanischen Präsidenten gibt es nur einen Fixstern. Er heißt Donald Trump.
Trump sieht Politik als Kampf - und er will gewinnen
Der Immobilienmogul ist mit Hinterzimmer-Deals, Aufschneidereien und Lügen großgeworden. Er sieht das Leben als großen Kampf. In den letzten Runden, so glaubt er, sind die USA unfair behandelt worden. Nun will er sich zurückholen, was seinem Land nach seiner Meinung zusteht.
Für internationale Verträge und diplomatische Rücksichtnahmen ist in dieser Welt kein Platz. Das Spiel wird Mann gegen Mann (notfalls auch gegen Frau) entschieden – mit Drohungen, Täuschungen und Schmeicheleien. Deshalb muss man sich trotz der Warnungen aus Paris und Berlin darauf einstellen, dass die Ausnahmen von den amerikanischen Stahl- und Aluminiumzöllen auslaufen. Selbst wenn es in letzter Minute vor dem Showdown am Dienstag noch zu einer Verlängerung der Galgenfrist kommen sollte, würde der Konflikt nur verschoben.
Wenn der Iran-Deal platzt, droht ein Flächenbrand
In der nächsten Woche werden die USA dann höchstwahrscheinlich das Iran-Abkommen verlassen, das sie selbst gemeinsam mit Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland 2015 mit Teheran geschlossen hatten, um die Mullahs vom Atombomben-Bau abzuhalten. Die Konsequenzen sind dramatisch. Ein weltweiter Handelskrieg, ein Flächenbrand im Nahen Osten und eine Zerreißprobe für das westliche Bündnis können sich daraus entwickeln. Doch das schreckt Trump nicht. Er fühlt sich durch die Entwicklung in Korea überzeugt, dass mit maximalem Druck der größte Erfolg erzielt wird. Doch anders als Nordkorea haben sich der Iran und Europa an bestehende Abkommen gehalten. Selbst die US-Regierung wirft Teheran nicht vor, gegen den Atombomben-Stopp zu verstoßen. Trump kritisiert mit Recht, dass der Iran die Region unverantwortlich destabilisiert. Nur: Das Thema war nicht Gegenstand des Abkommens. Genauso kann man verstehen, dass sich der Präsident über die Konkurrenz von niedrig besteuerten deutschen Autos ärgert. Aber die Zollsätze wurden international vereinbart und festgeschrieben.
Europa bereitet schon den Gegenschlag vor
Die einseitige Aufkündigung dieser bindenden Abkommen wird Folgen haben: Die Europäer bereiten Strafzölle auf US-Produkte vor. So kommt eine Eskalationsspirale in Gang. Ähnlich ist es beim Iran: Die Chancen, mit dem Teheraner Regime neue Vereinbarungen zur Begrenzung des Raketenprogramms oder zur Beendigung der regionalen Destabilisierung zu erreichen, sind ohnehin gering. Wenn im Vorfeld aber das einzige Abkommen, das die Mullahs einhalten, von den Vertragspartnern gebrochen wird, kann man sich jegliche weitere diplomatische Bemühung gleich sparen.
Die Europäer können die USA nicht an einer derart kurzsichtigen und gefährlichen Politik hindern. Aber sie dürfen sie nicht mitmachen. In der Folge wird sich der alte Kontinent vom einstigen großen Bruder weiter entfernen. Das mag jenen, die immer schon anti-amerikanische Ressentiments gepflegt haben, gefallen. Doch sie sollten sich nicht zu früh freuen: Mehr Eigenständigkeit bedingt zwingend auch mehr politische, wirtschaftliche und militärische Verantwortung. Die Zeiten, in denen sich Deutschland bequem wegducken konnte, sind endgültig vorbei.
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Trump ist ein Weckruf für Deutschland und Europa. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Welt ist für uns unbequemer geworden. Ein eskalierender Handelskrieg würde Deutschland ganz besonders treffen. Es ist deshalb gerade unser Interesse, dass sich die EU mit den USA verständigt. Dort wo vertretbar, könnten wir den USA auch entgegenkommen. Experten nennen in diesem Zusammenhang etwa Einfuhrzölle auf Autos aus den USA.
Vielleicht haben wir uns zu lange zu sehr auf die USA verlassen. Darauf, dass ihre überlegene militärische Kompetenz uns schon schützen wird, auch wenn wir selbst keine angemessenen Beiträge dazu leisten. Doch die Zeiten haben sich geändert. Jetzt rächt es sich, dass eine europäische Strategie kaum erkennbar ist. Wie reagieren wir auf die neue „Weltunordnung“, in der Berechenbarkeit und Stabilität verloren gehen? Auf eine Welt, die aus den Fugen geraten ist und in der die Einigkeit des Westens zerbröselt? Und darauf, dass die schwindende Kraft internationaler Institutionen zunehmend durch „regionale Hegemonen“ und wechselnde „Koalitionen der Willigen und Fähigen“ ersetzt wird?
Vor allem Deutschland muss seine Interessen klarer definieren und besser kommunizieren. Und es muss die Bundeswehr mit den erforderlichen Mitteln ausstatten. Militärausgaben sind die „prime currency“ der internationalen Politik. Wenn Deutschland eine führende Rolle auf der Bühne der Weltpolitik übernehmen möchte und sich sogar um einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bewirbt, dann muss es unser Ziel sein, militärisch auf Augenhöhe mit Frankreich und England agieren zu können. Der Weg dorthin ist noch weit. Umso entschlossener müssen wir ihn jetzt gehen!