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Kommentar: Die Empörung der Katholiken droht die Kirche auszubluten

Kommentar

Die Empörung der Katholiken droht die Kirche auszubluten

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    Nach immer neuen Missbrauchsskandalen sind viele Katholiken sehr unzufrieden mit ihrer Kirche.
    Nach immer neuen Missbrauchsskandalen sind viele Katholiken sehr unzufrieden mit ihrer Kirche. Foto: Oliver Berg

    Alles Missbrauch oder was? Mit keinem anderen Thema werden die deutschen katholischen Bischöfe derzeit so massiv konfrontiert. Eine lang beschwiegene Vergangenheit fällt ihnen jetzt auf die Füße und verdrängt aus der öffentlichen Wahrnehmung alles andere, was die Kirche der Gesellschaft momentan zu sagen hätte. Sogar die Wahl einer Generalsekretärin für die Bischofskonferenz fällt – obwohl es ein weiteres beachtliches Zeichen von Frauenförderung in kirchlichen Führungsämtern ist – fast komplett durch.

    Der Missbrauchsskandal droht der katholischen Kirche die letzte Glaubwürdigkeit zu rauben, obwohl sich gerade die deutschen Bischöfe in den letzten zehn Jahren wirklich ernsthaft um Aufklärung und Aufarbeitung bemüht haben. Jedoch befeuert die bockige Widerspenstigkeit des Kölner Kardinals Woelki – die auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz zerknirscht hinnehmen muss, denn jeder Oberhirte handelt souverän – die öffentliche Empörung ständig weiter.

    Die katholische Kirche muss lernen auf die Menschen zu hören

    Die enorme Steigerung der Kirchenaustritte, die daraus resultiert, könnte die Institution schon bald existenzbedrohend ausbluten. Es fallen dadurch ja nicht nur Kirchensteuereinnahmen aus, schmerzlich fehlen werden in den Pfarrgemeinden auch die Tatkräftigen und Engagierten. Tief in ihrem Vertrauen erschüttert und erbittert darüber, dass Anspruch und Wirklichkeit in skandalöser Weise auseinanderklaffen, hält selbst sie nichts mehr. Zugleich dezimiert die unausgewogene Altersstruktur die Kirchenmitglieder: Sie sterben weg.

    Bleiben die Gläubigen aus der Kirche fern? Zumindest die Zahl der Austritte steigt.
    Bleiben die Gläubigen aus der Kirche fern? Zumindest die Zahl der Austritte steigt. Foto: Alexander Kaya

    Wird der Katholizismus mangels Masse also eines Tages in Deutschland untergehen? Ein Augsburger Historiker gibt der Kirche gerade noch 20 Jahre. In ihrer heutigen Gestalt. Denn zweifellos steht die Kirche vor einem epochalen Umbruch, wie es ihn zuletzt vor 200 Jahren gab, als Bischöfe aufhörten, auch Fürsten zu sein. Heute müssen sie lernen, auf die Gläubigen, ja allgemeiner auf die Menschen zu hören, anstatt von oben herab unumstößliche Lehren zu predigen und moralische Verurteilungen auszusprechen. „Wir merken, dass die alten Bilder von Seelsorge und auch von Leitung in der Kirche nicht mehr tragen, aber wir haben noch keine neuen Bilder“, sagt der Vorsitzende Bischof Georg Bätzing völlig zutreffend.

    Das Zeitfenster für notwendige Veränderungen in der Katholischen Kirche schließt sich

    Die große Verunsicherung in der Kirche führt zu heftigen Spannungen. Alte Differenzen, wie eng sich Katholiken an Rom anzuschließen haben, wie glaubensfest und wie unnachgiebig gegenüber Fehltritten sie sein sollen, spiegeln sich auch in der Deutschen Bischofskonferenz. Einige Mitbrüder, vor allem die konservativen, gefallen sich darin, gehässig über andere herzuziehen. Der Synodale Weg ist ein Kampfplatz geworden, um alle, die Veränderungen anstreben, als Verräter zu brandmarken. Damit mag man sich den Beifall der radikalen Minderheit sichern. Die meisten Kirchenmitglieder stößt dieser Krieg im Inneren ab. Sogar der päpstliche Nuntius sah sich genötigt, die Bischöfe eindringlich zu ermahnen, nicht in ein zerstörerisches Freund-Feind-Schema zu verfallen.

    Längst ist klar, dass es in der Kirche Veränderungen geben muss – im geschwisterlichen Miteinander, in der geistlichen Führung, in der Orientierung an den Fragen und Bedürfnissen heutiger Menschen. Das Zeitfenster dafür schließt sich schneller als vermutet. Die erwartbare Halbierung der Einnahmen erzwingt herbe Einschnitte. Auch der Personalstand wird sich spürbar verringern. Überflüssig wird die Kirche nicht, wenn sie mit der Religion echt dem Leben dient und tragfähige Orientierung vermittelt, ohne Menschen zu beherrschen. Denn unstillbar ist das menschliche Verlangen, dass das Leben trotz aller Blessuren gut ausgehe.

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