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Kommentar: Die Corona-Krise legt Europas Schwächen offen

Kommentar

Die Corona-Krise legt Europas Schwächen offen

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    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Leitlinien für eine europäische Corona-Strategie vorgestellt.
    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Leitlinien für eine europäische Corona-Strategie vorgestellt. Foto: Etienne Ansotte, dpa

    Es ist eine bittere Lektion in europäischer Realität, die die EU-Kommission gerade erteilt bekommt. Zwar fehlt es in der Coronavirus-KriseKrise nicht an guten Ideen, sachverständigem Rat oder klugen Vorstößen zur Abstimmung der Mitgliedstaaten untereinander. Und ebenso wenig mangelt es an Appellen zur Koordinierung der nationalen Maßnahmen am runden Tisch in Brüssel – selbst wenn der gerade nur virtuell vorhanden ist.

    Aber die Leitlinien für eine gemeinsame Exit-Strategie, die Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Behörde, nun vorgestellt hat, zeigen genau genommen, wo die Handlungsmacht liegt: Nicht in Brüssel, sondern in den Mitgliedsländern der Europäischen Union. Die Herausforderungen seien eben überall anders, heißt es immer wieder. Das ist behutsam ausgedrückt, umschreibt aber einen eklatanten Missstand, der praktisch nicht zu beseitigen ist: Die europäische Gemeinschaft hat über Jahrzehnte hinweg ihren Auftrag für Frieden, Wohlstand und Freiheit wahrgenommen, dabei aber zentrale Strukturen der Daseinsvorsorge übergangen – allen voran die Gesundheitssysteme. Sie gehören zu den Hoheitsaufgaben der 27 Mitgliedsstaaten, was nicht nur zu einer Zersplitterung, sondern – schlimmer noch – zu einem Qualitätsgefälle geführt hat. Das legt die Covid-19-Krise nun unbarmherzig offen. Egal, wohin man schaut: Alle Regierungen ringen gerade um eine Lösung, wie ein Kollaps ihres medizinischen Sektors verhindert werden kann, wenn die Einschränkungen für die Bevölkerung zurückgenommen werden und dadurch die Zahl der (schweren) Infizierungen wieder ansteigt.

    Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission.
    Ursula von der Leyen ist Präsidentin der Europäischen Kommission. Foto: Francois Lenoir/Reuters Pool/AP/dpa

    Die Krise liegt also noch nicht hinter uns, die schrittweise Rückkehr zur Normalität ist Teil dieser Krise. Das gilt auch für alle jene Nationen, in denen die Zahlen im Moment so spürbar für eine Besserung der Lage sprechen, dass man glaubt, das Schlimmste sei überwunden. Nein, auch der Weg aus dem Lockdown wird hart und es werden noch viele Opfer zu beklagen sein.

    Brüssel kann in dieser Lage nicht viel tun. Eine Grundsatzdiskussion über die Zentralisierung der Strukturen der einzelnen Gesundheitssysteme vom Zaun zu brechen, wäre unsinnig. Und deshalb wird die EU-Behörde einmal mehr die Rolle des gutmeinenden Koordinators einzunehmen versuchen, dessen Rat zwar willkommen ist, aber eben auch unbeachtet bleibt. Weil Berlin, Paris, Wien, Madrid oder Rom tun, was für ihr Land das jeweils Beste ist.

    Diese Situation könnte das europäische Projekt schwer belasten. Denn wenn die Mitgliedstaaten nicht mehr warten, bis man sich innerhalb dieser Europäischen Union zu einer Linie durchgerungen hat, wenn dringend benötigte Güter auf dem Weltmarkt zunächst für die Versorgung der eigenen Bürger zusammengerafft werden, weil die gemeinsame Beschaffung zu umständlich, zu kompliziert und vor allem zu langwierig ist, dann schwindet das Vertrauen in die Gewissheit, dass gemeinsam alles besser geht.

    Die Appelle, das Coronavirus mache vor Ländergrenzen nicht halt, wirken längst hilflos und ohnmächtig. Umso wichtiger wäre es, dass die Regierungen wenigstens jetzt, wenn es um die Rückkehr zur Normalität geht, erkennbar harmonisch miteinander handeln. Denn in jeder der 27 Hauptstädte müsste eigentlich klar sein, dass man Normalität ausschließlich von beiden Seiten einer Grenze schaffen und nur mit abgestimmten Maßnahmen für einen Ausstieg wiederherstellen kann. Ganz zu schweigen davon, dass jede Form von Wiederaufbau Gemeinsamkeit erfordert.

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