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Kommentar: Die Corona-Geister werden nicht einfach verschwinden

Kommentar

Die Corona-Geister werden nicht einfach verschwinden

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    Teilnehmer der Demonstration der Initiative «Querdenken» am 7. November auf dem Augustusplatz.
    Teilnehmer der Demonstration der Initiative «Querdenken» am 7. November auf dem Augustusplatz. Foto: Sebastian Willnow, dpa (Symbolbild)

    Es ist eine kleine Minderheit, die Schlagzeilen macht. Sie wehrt sich gegen die Pandemie-Politik, demonstriert ohne Maske und Abstand in Berlin, Leipzig oder Konstanz. Sie wähnt sich im Widerstand gegen die „Corona-Diktatur“ und schwätzt von Ermächtigung. Sie raunt von einer dunklen Verschwörung einer globalen Elite. Sie vergleicht sich mit Anne Frank oder Sophie Scholl und stört sich nicht, wenn Neo-Nazis Teil ihres Protests sind. Sie hat mit der AfD eine politische Kraft, die in allen Landtagen sitzt und die größte Oppositionsfraktion im Bundestag stellt. Sie nutzt die Stärke der Demokratie aus, um sie zu schwächen.

    Die Bewegung der Irrationalen greift die Ordnung der Gesellschaft in fragiler Zeit an. Der Kampf gegen die Pandemie verlangt ein hohes Opfer von allen. Die Deutschen sind verunsichert. Corona, Corona, Corona – es gibt kein anderes Thema. Alle fragen sich, was dürfen wir hoffen?

    Ein Blick nach Amerika zeigt, was Deutschland droht

    Die Aussichten sind gut und schlecht zugleich. Gut, weil ein Impfstoff zum Greifen nah ist. Schlecht, weil die politischen Corona-Geister nicht einfach verschwinden werden. Sie rücken gerade zusammen und schmieden Allianzen. Rechtsextreme, Hooligans, Verschwörungstheoretiker, Corona-Leugner und Impfgegner. Gegen das vernünftige Argument sind sie immun und damit auch nicht mehr empfänglich für das Geschäftsmodell der Demokratie – den Streit um die beste Lösung auf Basis von wissenschaftlichen Fakten. Hier verschiebt sich etwas.

    Ein Blick nach Amerika zeigt, was auch Deutschland droht. Noch-Präsident Donald Trump hat es geschafft, trotz seiner Verachtung für die demokratischen Spielregeln, trotz seiner Peinlichkeiten und Lügen, mehr Stimmen einzufahren als 2016. Ihm konnte das gelingen, weil die Amerikaner nicht mehr in einer gemeinsamen Öffentlichkeit leben.

    Genau das geschieht auch in Deutschland. Die neue Front der Irrationalen ist für klassische Medien und für die Parteien (mit Ausnahme der AfD) nicht mehr zu erreichen. Sie nutzt ihre eigenen Medien und Kanäle, findet stark über soziale Medien im Internet zusammen. Natürlich ist diese Kommunikation nicht verboten, sondern Ausdruck von Meinungsfreiheit. Sie ist die wichtigste Grundlage der Demokratie, gleichzeitig aber auch das Einfallstor für ihre Gegner. Eben weil sie weit gefasst ist und weil durch die neuen Medien jeder zum Sender und Empfänger werden kann, gibt es kein Zurück mehr zur guten alten Zeit.

    Jeder muss sich überlegen, mit wem er demonstriert

    Die Gesellschaft wird damit leben müssen – bei steter Gefahr, dass die Stimmung kippt und sich in politische Macht übersetzt. Der AfD ist es gelungen, die Wut gegen die Corona-Politik zu kapern. Zu Beginn der Pandemie rief sie noch nach dem starken Staat, drehte sich dann aber um 180 Grad, als der starke Staat tatsächlich durchgriff.

    Für die Meinungsfreiheit gilt wie für alle anderen Grundrechte auch, dass sie nicht schrankenlos ist. Facebook, der Kurznachrichtendienst Twitter und Youtube müssen Drohungen, Hass und die Verharmlosung des Holocaust viel entschiedener löschen, Hetzer sperren und zur Anzeige bringen. Werden sie nicht effektiver darin, müssen die Unternehmen gesetzlich dazu gezwungen werden.

    Nun ist es nicht so, dass alle Gegner der Corona-Politik die Demokratie abschaffen wollen. Man kann den Frust eines jeden Gastwirts verstehen, der sich ein Hygiene-Konzept überlegt hat und nun trotzdem wieder schließen muss. Auch Protest auf der Straße dagegen ist völlig legitim, allerdings hat ein jeder die Verantwortung zu schauen, mit wem er da demonstriert.

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