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Kommentar: Die Bundesregierung ist zu nachsichtig mit Saudi-Arabien

Kommentar

Die Bundesregierung ist zu nachsichtig mit Saudi-Arabien

Rudi Wais
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    Vor der saudischen Botschaft in Washington zeigen Demonstranten Plakate mit dem Bild des in der Türkei vermissten Journalisten Jamal Khashoggi.
    Vor der saudischen Botschaft in Washington zeigen Demonstranten Plakate mit dem Bild des in der Türkei vermissten Journalisten Jamal Khashoggi. Foto: Jacquelyn Martin/AP (dpa)

    Heiko Maas klang, als habe er etwas gutzumachen. Saudi-Arabien, umgarnte der deutsche Außenminister seinen Kollegen Adel al-Dschubair erst vor wenigen Wochen, spiele eine wichtige Rolle für Frieden und Stabilität im Nahen Osten. Und wenn es in der Vergangenheit zu Missverständnissen gekommen sei, bedaure er das zutiefst. Die scharfe Kritik seines Vorgängers Sigmar Gabriel am „außenpolitischen Abenteurertum“ des Regimes? Vorbei und vergessen. „Deutschland entschuldigt sich“, titelte eine der größten Zeitungen des Landes anschließend. „Diplomatischer Sieg für das Königreich der Entschlossenheit.“

    Außenpolitik mit Saudi-Arabien: Erlaubt ist, was nutzt

    Dass das Königshaus wenig später im Verdacht stehen würde, einen Mord an einem in Ungnade gefallenen Reporter in Auftrag gegeben zu haben, konnte Maas nicht ahnen. Dennoch wirft sein Auftritt am Rande der UN-Generalversammlung ein bezeichnendes Licht auf den Umgang Deutschlands mit den gefährlichsten Mächten der Region.

    Saudi-Arabien führt einen blutigen Krieg im Jemen – wir liefern unverdrossen Waffen. Im Iran werden nahezu täglich Menschen hingerichtet – wir schicken eine Wirtschaftsdelegation nach der anderen nach Teheran. Motto: Erlaubt ist, was nutzt. Der Versuch, Wandel frei nach Willy Brandt durch Handel zu erzwingen, hat die Region aber nicht friedlicher gemacht, sondern noch instabiler.

    Kanzlerin und Außenminister seltsam still im Fall Kaschoggi

    Die Kanzlerin und der Außenminister waren bis jetzt aufallend still zum Fall Kaschoggi. Liegt das an der Doppelmoral im Diskurs mit Saudi Arabien.
    Die Kanzlerin und der Außenminister waren bis jetzt aufallend still zum Fall Kaschoggi. Liegt das an der Doppelmoral im Diskurs mit Saudi Arabien. Foto: Mohammed Al-Shaik, afp

    Noch ist unklar, was Dschamal Kaschoggi genau zugestoßen ist, ob der Journalist tatsächlich im saudischen Konsulat in Istanbul umgebracht wurde. Die Haltung jedoch, die Außenpolitiker wie der CDU-Mann Norbert Röttgen nun nun in Form geschäftlicher Zurückhaltung von der Wirtschaft fordern, haben die meisten Bundesregierungen im Umgang mit den Saudis über Jahrzehnte vermissen lassen. Was gut fürs Geschäft war, war auch gut für Deutschland. Noch Fragen?

    So schnell sie stets mit Sanktionen gegen Russland bei der Hand war, so geschmeidig hat die deutsche Politik in den Ölländern bisher um Menschenrechtsverletzungen, aggressives Hegemonialdenken oder die Unterdrückung von Frauen herumgeredet. Auch jetzt, da sich die halbe Welt über den Fall Kaschoggi erregt, verhalten Kanzlerin und Außenminister sich seltsam still. Maas hat zwar eine Reise nach Riad vorerst abgesagt, von Angela Merkel aber weiß man, dass sie in Saudi-Arabien vor allem eines sieht: einen Anker der Stabilität in einer umkämpften Region.

    Bundesregierung genehmigte Rüstungsexporte über 250 Millionen Euro für Riad

    Ähnlich schwer zu verstehen wie die deutsche Doppelmoral im Diskurs mit Staaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien ist allerdings auch die Doppelzüngigkeit des starken Mannes in Riad. Auf der einen Seite hat Kronprinz Mohammed bin Salman seinem Land eine Politik der vorsichtigen Liberalisierung verordnet, die den Frauen plötzlich das Autofahren erlaubt, die Rechte der berüchtigten Religionspolizei beschneidet oder das Verhältnis zu Israel entkrampft.

    Auf der anderen Seite vertritt der Sohn des Königs seine Interessen sowohl im Jemen als auch in Saudi-Arabien selbst mit unerbittlicher Härte. Seine Waffenarsenale sind voll, nicht zuletzt dank milliardenschwerer Lieferungen aus den USA, aus Kanada und Deutschland. Alleine in diesem Jahr hat die Bundesregierung bereits Rüstungsgeschäfte im Volumen von mehr als 250 Millionen Euro mit Riad genehmigt – obwohl Union und SPD im Koalitionsvertrag einen Exportstopp für alle Länder vereinbart hatten, die im Jemen Krieg führen.

    Massenweise deutsche Waffen gehen nach Riad und das, obwohl Machthaber Mohammed bin Salman Krieg gegen Jemen führt.
    Massenweise deutsche Waffen gehen nach Riad und das, obwohl Machthaber Mohammed bin Salman Krieg gegen Jemen führt. Foto: Mike Pompeo, dpa

    Hier wie dort, im Iran wie in Saudi-Arabien, täte der deutschen Außenpolitik etwas mehr Distanz zu den Dingen gut. Sollte sich herausstellen, dass Kaschoggi tatsächlich auf Befehl aus Riad getötet wurde, kann es nur eine Antwort geben: Sanktionen gegen Saudi-Arabien.

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