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Kommentar: Die Bedrohung durch Extremismus wächst durch Corona

Kommentar

Die Bedrohung durch Extremismus wächst durch Corona

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    Innenminister Horst Seehifer nach der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019.
    Innenminister Horst Seehifer nach der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Corona ist nicht nur eine Gefahr für unsere Gesundheit und unseren Wohlstand, sondern auch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Denn das Virus trifft unsere Gesellschaft ausgerechnet zu einer Zeit, in der anschwellender Extremismus das friedliche Zusammenleben in zunehmendem Maße herausfordert. Die größte Bedrohung geht akut von Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten aus. Aber auch im linken Spektrum steigt die Zahl der Straftaten, während weiter hunderte islamistische Gefährder Terror im Schilde führen. Und in einem absolut erschreckenden Maße setzen die Geheimdienste autoritärer Staaten alles daran, die westliche Wertegemeinschaft und die Idee der Demokratie insgesamt zu schwächen. Um dieses Ziel zu erreichen, feuern sie gesellschaftliche Konflikte etwa durch falsche oder verzerrte Nachrichten immer weiter an.

    Die Corona-Pandemie weckt Urängste

    Zentrale Erkenntnis des aktuellen Verfassungsschutzberichts ist, dass die extremen Ränder wachsen. Durch Corona könnte sich diese Entwicklung nun weiter verschärfen. Denn die unheimliche Pandemie weckt Urängste, vor dem Tod, dem Verlust von Arbeitsplatz, Status, Hab und Gut, gesellschaftlicher Existenz.

    Sollte es infolge der Pandemie zu einer anhaltenden Rezession, zu Massenentlassungen und Verteilungskämpfen kommen, könnten sich jetzt schon aufgeheizte Debatten weiter radikalisieren. Leider sieht es so aus, als würde die Corona-Krise trotz aller staatlichen Gegenmaßnahmen viele Verlierer produzieren. Ihr Frust könnte wie ein Brandbeschleuniger für extremistische Strömungen wirken.

    Verfassungsschutzbericht: Wenn die Ränder wachsen, wird die Mitte kleiner

    In Krisenzeiten wie diesen suchen viele Menschen nach Sündenböcken, werden Verschwörungsmythen populär. Bei Demonstrationen, besonders aber im Internet blühen Hass und Hetze. In einem Klima weitreichender Verunsicherung fallen extremistische Botschaften und radikale Thesen auf besonders fruchtbaren Boden und vergiften das Klima immer weiter. Bei hässlichen Worten bleibt es nicht. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, die tödlichen, ebenfalls rechtsterroristischen Anschläge von Halle und Hanau beweisen: Am Ende der Spirale der Menschenverachtung steht die Ermordung von Menschen.

    Wenn die Ränder wachsen, wird die Mitte kleiner, das muss jedem Bürger bewusst sein. Das Extremismusproblem geht alle an. Egal zu welchen Parteien, Lebensentwürfen und Religionen sie sich bekennen. Und egal, welche Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sie für sinnvoll halten oder eben nicht.

    Vielfalt und freie Rede, das wunderbare Grundgesetz, die Achtung der Menschenwürde, das sind Werte, für die es sich zu kämpfen lohnt. Diesen Kampf müssen nicht nur die Verfassungsschützer mit aller Konsequenz führen. Wo der Extremismus wuchert, muss jeder Einzelne zum Hüter der Verfassung werden. Nicht mit den Mitteln der Geheimdienste, sondern mit einem klaren Bekenntnis zu Demokratie und Pluralismus. Und energischem Widerspruch, wo immer die Feinde der Demokratie am Werk sind. Gerade in Zeiten von Corona, wo jeden seine eigenen Sorgen plagen, darf das Eintreten für die freiheitliche Grundordnung nicht in den Hintergrund treten.

    Ein intaktes Immunsystem braucht nicht nur der menschliche Körper gegen Corona. Sondern auch die ganze Gesellschaft benötigt gegen Hass, Terrorismus und Radikalismus. Um ihre Abwehrkräfte zu stärke, muss sich die friedliebende, demokratische Mitte breit machen, selbstbewusst und geschlossen auftreten. Sonst wird sie irgendwann von den extremistischen Rändern erdrückt.

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