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Kommentar: Die Angst vor einem schwierigen Corona-Herbst ist leider berechtigt

Kommentar

Die Angst vor einem schwierigen Corona-Herbst ist leider berechtigt

Margit Hufnagel
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    Die Zahl der Corona-Infizierten steigt an.
    Die Zahl der Corona-Infizierten steigt an. Foto: Marijan Murat, dpa

    Die Mahnungen werden wieder eindringlicher, die Stimmen lauter – und die Vorahnung, dass sich das Leben auch nach fast zwei Jahren Dauerkrise eben so schnell nicht normalisieren wird, die wird plastischer. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der Welt steigen die Corona-Zahlen spürbar an. Zwar schließt die Politik neue Lockdowns aus, sie schafft den Inzidenzwert als Richtschnur ab. Doch wirklich beantworten, welche Strategie sie stattdessen befolgt, kann sie auch nicht.

    In der Hoffnung, dass die Impfkampagne schon an Tempo aufnehmen wird, hat man sich auf das Prinzip Daumendrücken verlassen. Ein Fehler. Denn auch wenn die Intensivstationen bislang vergleichsweise gut durch die vierte Welle kommen, ist nicht gesagt, dass das auch so bleibt. Schon jetzt gibt es Anzeichen für eine Wende. Unsere Nachbarn Österreich und Schweiz, beide eher im „Team Freiheit“ denn im „Team Vorsicht“ zu Hause, zählen bereits wieder mehr Patienten in ihren Spitälern und erhöhen daher den Druck auf Ungeimpfte deutlich. Die aggressive Delta-Variante hat dafür gesorgt, dass sich die sicher geglaubten Erfolge binnen kurzer Zeit in Luft aufgelöst haben.

    Wer zu spät auf die Corona-Zahlen reagiert, bekommt ein Problem

    Dass die Bundesregierung und die Bundesländer im Wahlkampfstress das Thema nicht mehr ganz oben auf ihrer Prioritätenliste haben, lässt leider nichts Gutes erahnen – denn wenn wir eines gelernt haben seit Ausbruch dieser Pandemie, dann das: Erst zu reagieren, wenn sich die Krise schon zugespitzt hat, war selten eine gute Idee.

    Doch noch nicht einmal die Luftfilter in den Schulen sind großflächig eingebaut. Ob die Zahlen in den Impfstatistiken stimmen, wird immer wieder angezweifelt. Die Gesundheitsämter können schon jetzt nicht mehr alle Kontakte von Infizierten nachverfolgen.

    Natürlich sehnt sich niemand nach einem neuen Lockdown. Aber mit einem Plan aber wäre schon einiges gewonnen. Eine Krankenhausampel etwa, die zwar plakativ von Grün auf Gelb und auf Rot springen kann, ist wirkungslos, wenn nicht klar ist, was die Folgen der Warnsignale sind. Genauso paradox ist es, wenn die Freien Wähler über einen Freiheitstag nach britischem Vorbild philosophieren. Stattdessen sollte zumindest der Versuch unternommen werden, das Ruder herumzureißen.

    Einfach ist das nicht: Wie will man Menschen dazu bewegen, sich impfen zu lassen, wenn sie das bis jetzt nicht getan haben? Wie kann der Druck überhaupt noch merklich erhöht werden, wenn eine Impfpflicht ausgeschlossen wird? Zumindest in den sensiblen Berufen kann und darf es nicht sein, dass Beschäftigte ein Risiko für andere darstellen. Lehrerinnen, Erzieher, Pflegepersonal: Die Debatte, ob nicht hier eine Pflicht doch Sinn machen würde, wurde nie wirklich geführt. Bloß niemanden verschrecken – dieses Vorgehen könnte sich rächen, wenn im Herbst und Winter die Aktivitäten wieder nach drinnen verlegt werden.

    Dann wird sich auch zeigen, wie praxistauglich der Satz ist: „Wir müssen mit dem Virus leben lernen.“ Für alle Geimpften und Genesenen mag das zutreffen. Wer aber Risikopatient ist oder kleine Kinder hat, der wird sich fragen, ob die Gefahr von Langzeitfolgen wirklich so einfach ignoriert werden kann.

    Jeder Einzelne macht in der Corona-Pandemie den Unterschied

    Die Verantwortung für unsere Gesellschaft liegt aber nicht nur in den Händen der Politik, sondern bei uns allen. Neue, wieder strenge Maßnahmen lassen sich vor allem dann verhindern, wenn die Mehrheit das Impfangebot annehmen würde. Wer also sehnsüchtig nach Dänemark und auf die weitreichenden Lockerungen schaut, der sollte auch einen Blick in die dortige Impfstatistik werfen.

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