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Kommentar: Deutschland trägt eigenes Versagen auf dem Rücken der Flüchtlinge aus

Kommentar

Deutschland trägt eigenes Versagen auf dem Rücken der Flüchtlinge aus

Stefan Lange
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    Flüchtlinge aus der Region Tigray kommen am Ufer des Tekeze-Setit im Sudan an.
    Flüchtlinge aus der Region Tigray kommen am Ufer des Tekeze-Setit im Sudan an. Foto: Nariman El-Mofty, AP/dpa (Archivbild)

    In Deutschland herrscht wieder Alarmstimmung. Sie ist noch nicht auf der höchsten Stufe, aber die Regierungen in Bund und Ländern haben sie deutlich angehoben. Der Grund dafür: Die Flüchtlinge kommen. In der Hauptstadt etwa wird bereits plakativ darüber nachgedacht, wie man die Menschen aus Irak, Afghanistan oder Syrien unterbringt, ohne dass wieder Turnhallen belegt werden müssen.

    Dabei hat der Alarmismus gar keinen aktuellen Hintergrund, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer freimütig einräumt. Die Zahl der Flüchtlinge bewegt sich mit rund 80.000 im Schnitt der vergangene 30 Jahre. Nein, die Unruhe hat eine andere Ursache: Die Flüchtlinge werden dazu missbraucht, um das eigene Versagen zu kaschieren.

    Die Bundesregierung hat jahrelang zugesehen, wie Länder wie Griechenland, Kroatien oder die Türkei im Umgang mit Flüchtlingen systematisch Menschenrechte verletzen. Die Migranten werden verprügelt, gefoltert, eingesperrt oder mit sogenannten Pushbacks direkt an der Grenze brutal ins Meer zurückgedrängt. Man will es sich mit diesen Ländern nicht verderben und nimmt zudem dankend in Kauf, dass deren Vorgehen vielen Flüchtlingen den Weg nach Deutschland versperrt.

    "Kampf" gegen Flüchtlinge: widerwärtiger Sprachgebrauch

    Stattdessen werden die Flüchtlinge zu den Schuldigen erklärt. Schon der offizielle Sprachgebrauch ist widerwärtig. Es ist da vom „Kampf“ gegen die Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen die Rede. Zusätzliche, schwer bewaffnete Grenzer werden in Stellung gebracht. Sie stehen Familien gegenüber, die so ausgezehrt sind, dass sie selbst dann nicht Widerstand leisten könnten, wenn sie es wollten.

    Von einer „irregulären Migration“ sprechen Politiker und verdrehen die Tatsachen damit mutwillig ins Gegenteil. Denn Flucht aus politischen Gründen, und damit haben wir es hier zu tun, ist immer regulär. Die Regierenden sollten öfter ins Grundgesetz schauen, in die Europäische Menschenrechts- oder die Genfer Flüchtlingskonvention. Da steht alles drin, was man zu den Themen Asyl, Menschenrecht, Menschenwürde und Rechtstaatlichkeit wissen muss. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Mitglieder der neuen Bundesregierung diesen Kanon der Menschlichkeit wieder zur Kenntnis nehmen.

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