Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Der einfache Auftrag der Wähler lautet: Macht was!

Kommentar

Der einfache Auftrag der Wähler lautet: Macht was!

    • |
    Im Europaparlament in Brüssel brechen neue Zeiten an.
    Im Europaparlament in Brüssel brechen neue Zeiten an. Foto: Laurent Dubrule, dpa

    War das nun wirklich die Schicksalswahl, von der Viele vorher gesprochen haben? Dann fällt die Botschaft so vielfältig und widersprüchlich aus, wie diese 28-er-Gemeinschaft eben ist. Gemeinsamkeiten sind kaum auszumachen. In Deutschland verlieren die Volksparteien geradezu erdrutschartig, in anderen Ländern ist das Gegenteil der Fall. Der befürchtete Rechtsruck bleibt aus, obwohl Rechte und Nationalisten stark vertreten sind, was nicht heißt, dass sie eine geballte Kraft bilden werden. Der Siegeszug der Grünen fußt auf wenigen Mitgliedstaaten. Und die erstarkten Liberalen hängen zu einem erheblichen Teil am Tropf des französischen Staatspräsidenten Macron und dessen Anhängern.

    Europawahl 2019: Die EU wird durch ihre eigene Vielfalt stärker

    Europa ist nicht einfacher geworden, sondern anstrengender. Mehrheiten sind nicht länger von den beiden großen Parteienfamilien der Konservativen und Sozialdemokraten zu erreichen. Ein Konsens muss von breiteren Schultern getragen werden. Die Zeit der Blöcke ist vorbei. Genau das wollte der Wähler.

    So werden die Bürger, die mit erfreulich hoher Beteiligung dieses Parlament zusammengesetzt haben, in Zukunft viel häufiger vom Ringen um politische Lösungen hören. Das ist gut so, denn es lässt sie spüren, dass hier tatsächlich ein gleichwertiger europäischer Gesetzgeber agiert, der mehr als nur ein Erfüllungsgehilfe der Regierungschefs ist und sich den besten Weg demokratisch erarbeiten muss.

    Die EU wird durch ihre eigene Vielfalt und Widersprüchlichkeit nicht schwächer, sondern stärker, sofern sie zu Kompromissen in der Lage ist, die alle als Errungenschaft annehmen können. Gerade weil die Union eben nicht der zentralistisch geführte Superstaat und auch nicht der bevormundende Bürokratieapparat ist, als der sie oft hingestellt wird.

    Klare Botschaft der Wähler an die Abgeordneten: Macht was!

    Mit der hohen Wahlbeteiligung statteten die Bürger – was sich alle Wahlkämpfer so sehr gewünscht hatten – das Parlament nunmehr mit Gewicht aus. Das sollte die Volksvertreter ermutigen, ihre Verantwortung wahrzunehmen – notfalls auch gegen die Europäische Kommission und die Staats- und Regierungschefs. Und das gilt keineswegs nur für die anstehenden Personalentscheidungen.

    Wenn es wirklich so etwas wie eine zentrale Botschaft der Wähler an ihre Abgeordneten gibt, dann die: Macht eure Arbeit. Ansonsten strafen wir euch ab. Ob Klimaschutz oder Sozialunion, ob Migration oder Künstliche Intelligenz – die Menschen in den Mitgliedstaaten wollen Taten und Ergebnisse sehen. Bedenkenträger werden gnadenlos aussortiert. Die Parteien sollten verstehen, dass traditionelle Bindungen längst nicht mehr zählen. Quer durch alle Alters- und sozialen Gruppen wandern die Sympathien zu denen, die es verstehen, konkrete Antworten zu liefern.

    Europa hat die Chance auf einen Neustart bekommen

    Dass die überwiegende Mehrheit im Parlament auch künftig von Pro-Europäern gestellt wird, ist eine Errungenschaft, aber eben auch ein Vertrauensvorschuss. Die Wahlkämpfer haben in den vergangenen Wochen große Hoffnungen geschürt auf ein selbstbewusstes Europa, das sich Handelskriegen ebenso entgegenstellt wie dem Ausverkauf der eigenen Werte durch mangelnde Solidarität untereinander. Die Bürger haben gehört, wie wichtig es ist, dass dieser Kontinent seine sozialen und gesellschaftlichen Werte in einer globalisierten Wirtschaft verteidigen muss, damit nicht andere diese in Zukunft diktieren. Sie haben von Europa die Chance eines Neustarts gegeben bekommen. Daraus kann man viel machen. Dass das Parlament mit seinen neuen Mehrheitsverhältnissen etwas schwieriger zu handhaben ist, darf nicht als Ausrede dienen.

    In unserem Podcast "Bayern-Versteher" analysieren wir die Wahl – und sprechen unter anderem über die bröckelnde Macht der Volksparteien. Hier können Sie reinhören:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden