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Kommentar: Der G7-Gipfel ist der Gipfel der Unverbindlichkeit

Kommentar

Der G7-Gipfel ist der Gipfel der Unverbindlichkeit

Rudi Wais
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    Die G7-Vertreter tagen in Biarritz: Emanuel Macron (Frankreich, M hinten), daneben im Uhrzeigersinn Bundeskanzlerin Angela Merkel, Justin Trudeau (Kanada), Boris Johnson (Großbritannien), EU-Ratspräsident Donald Tusk, Giuseppe Conte (Italien), Shinzo Abe (Japan) und Donald Trump (USA).
    Die G7-Vertreter tagen in Biarritz: Emanuel Macron (Frankreich, M hinten), daneben im Uhrzeigersinn Bundeskanzlerin Angela Merkel, Justin Trudeau (Kanada), Boris Johnson (Großbritannien), EU-Ratspräsident Donald Tusk, Giuseppe Conte (Italien), Shinzo Abe (Japan) und Donald Trump (USA). Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Der schöne Schein täuscht. So harmonisch das obligatorische Familienfoto in der Abendsonne auch wirken mochte, so jovial Donald Trump Angela Merkel auch einen Deutschland-Besuch in Aussicht stellte: Die Gräben zwischen den großen Industrienationen sind tief.

    Der Gipfel von Biarritz hat noch keinen Quadratmeter Regenwald gerettet, keinen Handelskonflikt entschärft und keinen politischen Schwelbrand gelöscht. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Sieben, zu unklar die Kräfteverhältnisse, zu unverbindlich die gemeinsamen Papiere.

    G7-Gipfel: Keine Lösung im Iran-Konflikt

    Das beste Beispiel dafür: der Umgang mit dem Iran. Ganz abgesehen davon, dass der französische Präsident das Mullah-Regime mit seiner Einladung nach Biarritz noch geadelt hat, anstatt den Druck auf Teheran zu erhöhen: Nur weil EU-Europa unverdrossen auf Dialog setzt, wird Trump seine Sanktionspolitik nicht korrigieren – selbst wenn er sich demnächst mit dem iranischen Präsident Hassan Ruhani treffen sollte.

    Entsprechend dürftig fällt daher auch das Resultat der französischen Charme-Offensive aus: Eine gemeinsame Iran-Initiative, geschweige denn eine Rückkehr der Amerikaner ins Atomabkommen, können auch die großen Sieben nicht einfach herbeireden. Im Gegenteil: Am Ende des Treffens demonstrierte der iranische Außenminister eindrucksvoll, wo sein Land seine wahren Verbündeten sieht: Er flog von Biarritz gleich weiter nach China, um eine neue strategische Partnerschaft mit Peking auszuhandeln.

    Donald Trump wird das nicht groß kümmern. Die USA sind groß und stark genug, um ihre Interessen in aller Welt vertreten zu können. Den Teilnehmern aus Europa allerdings muss dieser Gipfel der verpassten Gelegenheiten zu denken geben: Europa wird sich im verschärfenden globalen Wettbewerb nur behaupten, wenn es mit einer Stimme spricht. Tatsächlich jedoch haben sich die innereuropäischen Fliehkräfte rasant beschleunigt.

    Der Brite Boris Johnson ist Trump in Ton und Stil näher als seinen europäischen Verbündeten, Italien ist mit sich selbst beschäftigt, Emmanuel Macron nutzt jede Gelegenheit, sich als neue Führungsfigur zu empfehlen, indem er seine eigene Außenpolitik quasi zur europäischen erklärt – und Angela Merkel, so scheint es, hat dem nicht mehr viel entgegenzusetzen. Abgesehen von einigen entwicklungspolitischen Initiativen ist der deutsche Beitrag in Biarritz seltsam dürftig geblieben. Offenbar ist die Kanzlerin auf der Schlusskurve ihrer Karriere nicht mehr mittendrin, sondern nur noch dabei.

    Ohne China und Russland erreichen die Nationen wenig

    Die demonstrative Eintracht, die die großen Sieben in Frankreich demonstrierten, gehört zu solchen Gipfeln wie die pittoreske Kulisse. Tatsächlich wirken die Treffen heute wie aus der Zeit gefallen. Ob Klima, Iran oder Handel: In einer Welt, in der sich die Kräfte zwischen den Kontinenten mit tektonischer Wucht verschieben, funktionieren die alten Lösungsmuster aus den siebziger Jahren nicht mehr.

    Fortschritte im Iran oder in Syrien, zum Beispiel, sind ohne die Beteiligung Russlands unvorstellbar, eine neue Klimapolitik macht nur Sinn, wenn auch China sich an ihr beteiligt – und auch in den globalen Handelsfragen ist Peking beides: Teil des Problems und Teil der Lösung. Das heißt nicht, dass die Sieben sich nicht mehr regelmäßig treffen sollen. Sie sollten allerdings auch nicht mehr den Eindruck erwecken, als seien sie eine Art Weltregierung, die vom brennenden Regenwald über den Konflikt im Nahen Osten bis zur Dürre in der Sahelzone nahezu jede Krise zu meistern vermag. Die Chance, etwas mehr Bodenhaftung zu zeigen, hat jetzt ausgerechnet Donald Trump. Nächstes Jahr bei ihm zuhause, in Miami.

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