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Kommentar: Der Berliner Anschlag ist ein Synonym des Scheiterns

Kommentar

Der Berliner Anschlag ist ein Synonym des Scheiterns

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    Nach dem Anschlag in Berlin hatten Hinterbliebene und Verletzte Behörden-Wirrwarr und Bürokratie beklagt.
    Nach dem Anschlag in Berlin hatten Hinterbliebene und Verletzte Behörden-Wirrwarr und Bürokratie beklagt. Foto:  Bernd von Jutrczenka, dpa

    Es hätte nicht passieren dürfen. Heute vor einem Jahr geschah, wovor sich alle fürchteten und von dem alle hofften, dass es nie eintreten würde. Deutschland wurde zum Ziel eines islamistisch motivierten Terroranschlags. Zwölf Menschen, die in vorweihnachtlicher Stimmung den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche besuchten, verloren dabei ihr Leben, 70 weitere wurden verletzt, manche so schwer, dass sie ihr Leben lang Pflegefälle bleiben.

    Im Rückblick ist offensichtlich: Vor dem Anschlag und nach dem

    Der Staat muss wissen, wer ins Land kommt

    Die bittere Wahrheit ist: Es wurde alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Erst konnte die Tat nicht verhindert werden, obwohl der Tunesier Anis Amri als Gefährder bekannt war, abgeschoben werden sollte und, wie neueste Berichte offenbaren, sogar von einem V-Mann des Verfassungsschutzes überwacht wurde, danach wurden die Opfer mit ihrem Schmerz und ihren handfesten Problemen alleine gelassen. Der vor wenigen Tagen vorgestellte Abschlussbericht des Opferbeauftragten Kurt Beck ist ein Dokument der Mängel und Defizite, der offene Brief der Opfer an Bundeskanzlerin Angela Merkel ein einziger Hilferuf. Dass sie sich erst jetzt, nach einem Jahr, mit ihnen traf, spricht Bände, dass es bis heute keinen zentralen Trauerakt gab, in dem die Spitzen des Staates kondolierten, ist ein nicht wiedergutzumachendes Versäumnis. Von den dürftigen Entschädigungsleistungen ganz zu schweigen.

    Deutschland war, wie es der Opferbeauftragte Kurt Beck nüchtern konstatiert, auf einen Anschlag in einer derartigen Größenordnung nicht vorbereitet. Man vertraute den Sicherheitsbehörden, die nach Angaben von Innenminister Thomas de Maizière seit dem Jahr 2000 bereits 16 geplante Anschläge vereitelten, davon allein drei in diesem Jahr. Und man hoffte trotz der seit Jahren angespannten Sicherheitslage, weiterhin auch Glück zu haben. Warum sich ausgerechnet im Fall Amri die Pannen häuften, alle Warnhinweise übersehen wurden und Amri durch alle Maschen schlüpfen konnte, wird ein Untersuchungsausschuss des Bundestags zu klären versuchen. Er sollte sich, wie im Falle der Mordserie der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, auch nicht scheuen, als Konsequenz seiner Arbeit weitere Verbesserungen vorzuschlagen, liegt doch beim Austausch der Informationen zwischen den verschiedenen Behörden der Länder und des Bundes einiges im Argen.

    Mitgefühl und Anteilnahme hingegen lassen sich nicht verordnen. Es war verständlich und in gewisser Weise ein Schutzreflex, dass die Menschen nach dem Anschlag relativ schnell wieder zur Tagesordnung übergingen und den Mörderbanden des IS auf diese Weise auch ihre Verachtung zeigten. Und doch entlässt dies die Behörden nicht aus der Verantwortung, mit den Opfern eines Anschlags besonders sensibel umzugehen. Vor allem aber gilt es, nie mehr den Missstand zuzulassen, der am Anfang der schicksalhaften Kette stand: Der Staat muss wissen, wer ins Land kommt. Der Kontrollverlust des Jahres 2015, als massenweise Menschen ohne Papiere einreisten und sich, wie Amri, mehrfache Identitäten zulegen konnten, wiegt schwer. Es hätte nicht passieren dürfen.

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