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Kommentar: Demonstrationen in Belarus: Die dunklen Tage werden ein Ende finden

Kommentar

Demonstrationen in Belarus: Die dunklen Tage werden ein Ende finden

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    Bereitschaftspolizisten stehen am Rande eines Protests von Oppositionellen.
    Bereitschaftspolizisten stehen am Rande eines Protests von Oppositionellen. Foto: Uncredited, dpa

    Um die Demokratiebewegung in Belarus ist es recht still geworden. Das hat nicht zuletzt mit einem Phänomen zu tun, das den hässlichen Namen Aufmerksamkeitsökonomie trägt. Jeder kennt das von sich selbst: Auf Routinen und eingeübte Abläufe richtet der Mensch seinen Fokus nur selten. Das spart Energie für vermeintlich Wichtigeres.

    Warum also, so könnte man zynisch fragen, sollten wir im Westen jedes Wochenende wieder hinsehen, wenn in belarussischen Städten Menschen auf die Straßen strömen und Freiheit fordern, um dann doch nur wieder von einem übermächtigen Terrorregime überrollt zu werden? Prügel, Festnahmen, Folter: In diesen finsteren Corona-Zeiten ist es doppelt verständlich, wenn sich Menschen das nicht auch noch „antun“ wollen.

    Opposition in Belarus: Es ist kein Kompromiss mit Lukaschenko möglich

    Und dennoch! Wir dürfen schon aus Achtung für unsere eigenen Werte die Augen nicht davor verschließen, wenn ein Diktator vor den Toren der EU daran arbeitet, ein zweites Nordkorea zu errichten. Denn genau das ist der Weg, den Alexander Lukaschenko eingeschlagen hat. Er hat sich früh darauf festgelegt, alle, die seine Herrschaft infrage stellen, mit nackter Gewalt zu überziehen, sie zu vertreiben, einzukerkern oder zu töten. Dialog lehnt er rundweg ab. Allerdings gilt das inzwischen auch umgekehrt. Der Punkt, an dem Kompromisse mit Lukaschenko denkbar gewesen wären, ist aus Sicht der Opposition längst überschritten. Es gibt keine Lösung mehr mit Lukaschenko, sondern nur noch gegen ihn.

    Tausende Menschen haben trotz Polizeigewalt zum 15. Mal in Serie in Belarus bei einer Sonntagsdemonstration gegen Lukaschenko friedlich protestiert.
    Tausende Menschen haben trotz Polizeigewalt zum 15. Mal in Serie in Belarus bei einer Sonntagsdemonstration gegen Lukaschenko friedlich protestiert. Foto: -, AP, dpa

    Das sieht man inzwischen auch in Brüssel so, wo man den Ereignissen in den vergangenen Monaten immer wieder hinterhergehinkt ist. Erst blockierte Zypern aus egoistischen und völlig sachfremden Gründen alle Sanktionen gegen das Regime in Minsk. 

    Dann wollte man Lukaschenko nicht persönlich bestrafen, um sich diplomatische Kanäle zum Diktator offenzuhalten. Nun will die EU endlich Ernst machen und ihre Sanktionen auch auf Unternehmen und Institutionen ausweiten, die das Regime stützen. Die Pläne gehen deutlich über die bisher verhängten Strafen gegen 55 Einzelpersonen hinaus, und das ist gut so. Denn das klare Signal an den Diktator, dass er westlich seines Herrschaftsgebiets niemals wieder als Partner akzeptiert werden wird, ist extrem wichtig.

    Treiben europäische Strafen Lukaschenko in Russlands Arme?

    Kritiker monieren, die Strafen würden Lukaschenko noch weiter in die Arme von Kremlchef Wladimir Putin treiben und die Abhängigkeit von der russischen Wirtschaft zementieren. Das stimmt aber nur sehr bedingt. Die erfolgreichen Minsker Traktoren- und Baumaschinenwerke etwa werden nicht deshalb mehr Bagger oder Erntemaschinen ins Nachbarland liefern können, weil andere Märkte weggebrochen sind. Aber noch etwas kommt hinzu: Die Unterstützung aus Moskau für Lukaschenko, die nie besonders euphorisch war, bröckelt zusehends.

    Die EU verhängt Sanktionen gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko.
    Die EU verhängt Sanktionen gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Foto: Nikolai Petrov, dpa

    Für den Kreml war es im Spätsommer wichtig, einen Sturz Lukaschenkos durch Massenproteste zu verhindern. Im eigenen Land sollte sich niemand ermuntert fühlen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Das heißt jedoch nicht, dass Putin den Diktator in Minsk dauerhaft stützt. Kreml-Strategen haben immer wieder durchblicken lassen, dass der Wille schwindet, als Ordnungsmacht im postsowjetischen Raum aufzutreten. Das hat sich jüngst auch im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Bergkarabach gezeigt, wo der Kreml lange zögerte, eigenes Militär zu entsenden. Einfach, weil Interventionen in Krisenzeiten zu teuer sind.

    Und deshalb lautet die vorweihnachtliche Botschaft an die Menschen in Belarus: Die dunklen Tage, sie werden ein Ende finden.

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