Es ist in der Regel nicht weiter bemerkenswert, wenn die Jugendorganisation einer Partei nach einem Generationswechsel ruft. Der politische Nachwuchs schießt gerne über das Ziel hinaus, um sich Gehör zu verschaffen. Üblicherweise wird so eine Attacke von der Parteispitze weggelächelt.
Im Falle der bayerischen Jungen Union ist das in diesen Tagen anders. Sie erregte mit ihrer Forderung nach dem Rücktritt von Horst Seehofer große Aufmerksamkeit sowie die geballte Wut des CSU-Chefs, der sich über das „ununterbrochene Trommelfeuer” aus den eigenen Reihen beklagte.
Nach der Bundestagswahl rumort es in der CSU
Diese harsche Reaktion belegt, dass die Junge Union einen Nerv getroffen hat. Seit dem schlechten Wahlergebnis bei der Bundestagswahl im September rumort es in der CSU. In den Bezirksverbänden mehren sich die Stimmen, die einen Neuanfang ohne Seehofer fordern. Doch keine Gruppierung traute sich bislang, offen über einen Rücktritt des Vorsitzenden abzustimmen.
Nun ist das aus Parteiräson auch nicht sonderlich klug. Der Chef müht sich mit einigen Getreuen in Berlin, einer möglichen Jamaika-Koalition eine CSU-Handschrift zu verpassen und daheim geht es drunter und drüber. Natürlich schwächt das die Autorität Seehofers in schwieriger Mission.
Doch seinen Kritikern geht es nicht um Jamaika. Wie so oft in der Politik sind Wahlchancen und Mandate wichtiger als Inhalte. Was für die Christsozialen allein zählt, das ist die Verteidigung der absoluten Mehrheit bei den bayerischen Landtagswahlen im Herbst 2018.
Viele in der CSU trauen Seehofer nicht mehr zu, dass er nach dem desaströsen 38,8-Prozent-Ergebnis bei den Bundestagswahlen das Schiff wieder flottkriegt. Zu stark wirkt auch die Erkenntnis nach, dass Seehofers Schlingerkurs der vergangenen Jahre für die September-Schlappe verantwortlich ist. Wer die eigene Kanzlerin über Monate in der Flüchtlingskrise attackiert, um Angela Merkel dann im Wahlkampf den Hof zu machen, verliert Glaubwürdigkeit.
Die Strippen hinter der anschwellenden Kritik am Parteichef zieht Seehofers Intimfeind Markus Söder. Große Teile der Partei sehen in dem Finanzminister den Mann, der die CSU wieder auf Kurs bringen kann. Dem ehrgeizigen Franken spielt nun in die Karten, dass Seehofer ihn schon vor Monaten kalt gestellt hat.
Die CSU-Wähler mögen kein Gemetzel
Söder hatte im Bundestagswahlkampf keine hervorgehobene Rolle. Und er gehört nicht einmal zur CSU-Delegation, die jetzt in Berlin die Chancen für eine Unionsregierung mit FDP und Grünen sondiert. Das kann für ihn von Vorteil sein. Denn die wirkliche Abrechnung steht auf dem CSU-Parteitag im Dezember an, wenn die Koalitionsverhandlungen beendet sind. Dann wird über die personelle Zukunft der CSU entschieden.
Dabei ist es längst nicht sicher, wie das letzte Gefecht des Bayern-Königs Horst Seehofer abläuft. Die Frage wird sein, ob er sich noch einmal stark genug fühlt, um den ambitionierten Söder abzuwehren.
Seehofer hat oft genug bewiesen, dass er zu vielem fähig ist. Vor allem zu Überraschungen. Der 68-jährige könnte sich selbst noch einmal als Ministerpräsident zur Wahl stellen, einen eigenen Nachfolge-Kandidaten gegen Söder platzieren oder sich sogar mit seinem Widersacher auf einen geregelten Übergang einigen, der auch eine Trennung der Ämter Regierungschef und Parteivorsitzender beinhaltet.
Eine Nachfolgeregelung ohne harte Brüche wäre im Sinne der Partei. Denn der CSU bekommt es nicht, wenn ein verdienter Frontmann einfach vom Hof gejagt wird. Das erlebte sie zuletzt nach dem Sturz Edmund Stoibers 2007. Die Wähler mögen kein Gemetzel.
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