Finanzaufseher, die mit Wirecard-Aktien zocken und kein Englisch können. Wirtschaftsprüfer, die Milliarden sehen, wo keine sind. Eine Staatsanwaltschaft, die zunächst gegen einen Informanten ermittelt. Bankmanager, die hunderte Millionen an eine undurchsichtige Firma verleihen, ohne Sicherheiten zu verlangen. Zahnlose Geldwäschebekämpfer. Ein schillernder Ex-Minister, der bei der Kanzlerin für ein in Verruf geratenes Unternehmen lobbyiert. Ein blamierter Mr. Dax, der das Papier öffentlich stark redet. Tausende Anleger, die dem Schwindel aus Aschheim glaubten.
Wirecard-Skandal: Aufsichtsbehörden wollten nicht genau hinsehen
Die Pleite des Wirecard-Konzerns ist die Geschichte des Scheiterns eines ganzen Landes. Dieses Land kann hervorragende Autos bauen und Maschinen. Es tut sich aber schwer mit der Internetwirtschaft und hat Schwächen als Finanzplatz. Das Vertrauen in die Börse ist im internationalen Vergleich unterentwickelt und durch den Wirtschaftsskandal enormen Ausmaßes weiter abgebröckelt.
Deutschland als Land der Ahnungslosen: In der DDR wurden die Dresdner verspottet, weil sie im Tal der Ahnungslosen lebten. Sie konnten kein Westfernsehen empfangen. Bei Wirecard ist das anders. Denn nicht sehen wollen, ist schlimmer, als nicht sehen können. In dem Fall lagen schon vor Jahren genügend Hinweise auf dem Tisch, dass das Unternehmen nicht sauber ist. Doch sie wurden ignoriert, oder verschwanden in den bürokratischen Kaskaden der Behörden. Mahner wie der Journalist Dan McCrum von der Financial Times wurden bekämpft.
Dass Deutschland nicht mehr völlig mit Blindheit geschlagen ist, liegt an einem Häuflein Abgeordneter, die in den vergangenen Monaten hunderte Stunden geackert haben, damit Deutschland nicht als finanzpolitische Bananenrepublik verschrien bleibt. Sie befragten im Untersuchungsausschuss Zeuge um Zeuge bis tief in die Nacht, um die Affäre aufzuarbeiten. Ihre Erfolge sind nicht klein: Der Druck auf den Chef der Finanzaufsicht wurde so groß, dass er gehen musste. Der Präsident der deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung trat zurück. Die Bilanzprüfer von Ernst and Young versetzten den Leiter ihres Deutschlandgeschäfts.
Wirecard-Skandal zeigt: Die Bafin muss reformiert werden
Viel wichtiger als das symbolische Abschlagen der Köpfe ist jedoch die Reform der Finanzaufsicht Bafin. Sie braucht Leute wie den designierten neuen Präsidenten, der selbst aus der Finanzindustrie kommt. Das heißt auch, den Ex-Bankern mehr Geld zu zahlen als ihnen nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes zusteht. Das ist unpopulär aber notwendig. Das Finanzministerium muss den Prüfern mehr Spielraum geben und die Behörde nicht mehr so eng in der Fachaufsicht führen. Sonst warten die Beamten auch in Zukunft auf grünes Licht aus dem Ministerium, bevor sie Entscheidungen fällen. Die Eigenhygiene der Wirtschaftsprüfer hat nicht gegriffen und deshalb ist es richtig, Beratung und Bilanzprüfung zu trennen, Prüfer rotieren zu lassen und die Haftung der Zahlenkontrolleure anzuheben.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses sorgt dafür, dass der Skandal im Fokus der Öffentlichkeit bleibt. Zum Abschluss der Woche der Wahrheit werden am Donnerstag Finanzminister Olaf Scholz und am Freitag Angela Merkel ausgequetscht. Dass sie über den Fall Wirecard stürzen, erwartet in Berlin niemand – das lehrt die Erfahrung aus anderen U-Ausschüssen. Im Zweifel können sich die Mächtigen nicht erinnern oder haben es nicht gewusst. Andererseits war der Wirecard-Ausschuss immer für Überraschungen gut. Alle Fraktionen arbeiten dort engagiert an der Aufklärung mit. Das gilt auch für die AfD, die den Vorsitzenden des Ausschusses stellt.
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