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Kommentar: Das Corona-Konjunkturpaket ist ein eleganter Kompromiss mit Tücken

Kommentar

Das Corona-Konjunkturpaket ist ein eleganter Kompromiss mit Tücken

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    Bund und Länder legen im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 ein Konjunkturpaket im Umfang von 130 Milliarden Euro auf.
    Bund und Länder legen im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 ein Konjunkturpaket im Umfang von 130 Milliarden Euro auf. Foto: John Macdougall/AFP/POOL/dpa

    Mit einem lauten „Wumms“ will die Große Koalition aus der Corona-Krise und überrascht mit einem Konjunkturpaket, das als Kern eine Mehrwertsteuersenkung enthält, mit der kaum jemand gerechnet hätte. Der elegante Kompromiss zwischen Union und SPD verhindert, dass zwei ausgesprochen schlechte Ideen verwirklicht werden, auf die sich die Verhandlungspartner gefährlich versteift hatten: Die von CSU und Autoländern ultimativ geforderte Kaufprämie auch für Autos mit klimaschädlichen Verbrennungsmotoren. Und die Übernahme von Altschulden der Kommunen, einen Herzenswunsch der SPD. Der Kompromiss mit der zeitweise niedrigeren Mehrwertsteuer lässt beide Seiten ihr Gesicht wahren.

    Corona-Konjunkturpaket: Gibt der Handel die Steuersenkungen weiter?

    Die Sozialdemokraten, für die Steuersenkungen sonst eigentlich als Teufelszeug gelten, verweisen darauf, dass dadurch gerade Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen bei jedem Einkauf entlastet werden. Die Frage ist nur, ob der Handel die Senkung auch wirklich immer an die Kunden weitergeben wird. Dass nun jedes Brötchen ein paar Cent billiger wird, ist nicht zu erwarten. Immerhin hätte dann wenigstens der Bäcker ein wenig davon. Der Einzelhandel hat ja unter Corona ebenfalls stark gelitten.

    Vor allem bei hochpreisigen Gütern wird die niedrigere Mehrwertsteuer Kaufanreize setzen: Je teurer, desto größer der eingesparte Betrag. Was CSU-Chef Markus Söder freut: Die Senkung gilt auch für jedes Auto, egal wie viel es kostet und mit welchem Antrieb es fährt. Selbst der Luxus-SUV mit Achtzylinder-Benzinmotor profitiert. Nicht gerade im Sinne des Klimaschutzes. Immerhin gibt es die doppelte zusätzliche Kaufprämie für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Damit können auch die Autoländer gut leben. Die SPD darf sogar erleichtert sein über den Kompromiss. Wäre an ihrem Widerstand die Unterstützung der deutschen Schlüsselindustrie gescheitert, hätte sich für lange Zeit kein Sozialdemokrat mehr in einem Autowerk blicken lassen dürfen, denn die IG Metall hätte getobt.

    Dass die Altschulden von Kommunen nicht vom Bund übernommen werden, worauf die SPD so energisch drang, ist eine gute Nachricht. Die Zinsen sind niedrig, würden die Verbindlichkeiten getilgt, wäre das Geld wirkungslos verpufft, die betroffenen Städte und Gemeinden deshalb noch lange nicht flüssig. Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD kann gut genug rechnen, um zu erkennen, dass mit den Maßnahmen aus der Feder der Union die Kommunen quer durch das ganze Land besser entlastet werden. Der Bund zahlt nun mehr für die Unterbringung von Arbeitslosen und kompensiert Gewerbesteuerausfälle. Schlechtes Wirtschaften aber wird nicht auch noch belohnt. Weder in Europa noch im Bund sind vergemeinschaftete Schulden der richtige Weg.

    Die Familienprämie im Konjunkturpaket brauchen viele schlichtweg nicht

    Als Trophäe mitnehmen darf die SPD die Familienprämie von 300 Euro pro Kind. Sie ist nur auf den ersten Blick eine feine Sache. Wer sie bekommt, freut sich, doch viele brauchen sie schlichtweg nicht. Und werden das Geld nicht etwa zur Ankurbelung der Konjunktur ausgeben, sondern aufs bereits gut gefüllte Konto legen. Eine vorgezogene Abschaffung des Solidaritätszuschlags hätte Familien mehr genutzt, doch die kommt nicht.

    Denn dann hätte die SPD auch über eine komplette Abschaffung sprechen müssen. Sie besteht kategorisch darauf, dass die zehn Prozent der Zahler mit den höchsten Einkommen den Soli weiter entrichten, obwohl das wie eine verkappte „Reichensteuer“ wirkt. Die einmalige Familienprämie, die zuerst Familienministerin Franziska Giffey (SPD) vorschlug, schien einfach zu charmant. Sie abzulehnen, das erkannte früh auch Markus Söder, hätte herzlos gewirkt. Unter den Tisch fiel hier eine nicht ganz unwesentliche Frage: Wer für die Prämie wohl bezahlen wird? Genau. Exakt die Kinder, die jetzt ein „Geschenk“ bekommen, mit Zins und Zinseszins. Das gilt für alle Wohltaten aus dem Paket – sie mehren die Schuldenlast der kommenden Generationen. Wenn die Niedrigzinsphase dann doch irgendwann endet, kann diese Last schnell erdrückend werden.

    Es ist eine Gratwanderung: Ja, die krisengeschüttelte Wirtschaft braucht jetzt Hilfe. Der Staat kann die Menschen, die durch die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung gelitten haben, nicht im Stich lassen. Doch gleichzeitig muss klar sein, dass auf lange Sicht die Haushaltsdisziplin nicht völlig über Bord geworfen werden darf. Beim Koalitionsgipfel haben sich Union und SPD eben kein festes Budget gesetzt und dann versucht, dieses so effektiv wie möglich einzusetzen. Manche Forderungen hätten dann unerfüllt bleiben müssen. Stattdessen wurden einfach mehr Milliarden ins Paket gesteckt: 130 statt der 80 Milliarden Euro, von denen zunächst die Rede war. Deutlich wird auch die „Obergrenze“ von 100 Milliarden Euro gerissen, die Markus Söder gefordert hatte. So elegant der Mehrwertsteuer-Kompromiss zunächst auch wirken mag – am Ende ist er nur ein Kniff, der dann doch fast alle Wünsche in Erfüllung gehen lässt. Hoffentlich sorgt das Paket wenigstens für ein ordentliches „Wumms“. Und macht nicht nur leise „Pfft“.

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