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Kommentar: Corona stürzt Europa ins Chaos

Kommentar

Corona stürzt Europa ins Chaos

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    Corona hat auch die EU ins Chaos gestürzt.
    Corona hat auch die EU ins Chaos gestürzt. Foto: Vesa Moilanen/Lehtikuva, dpa

    Die Situation als Chaos zu bezeichnen, wäre noch eine Untertreibung. Corona hat nicht nur Deutschland, sondern die ganze Europäische Union in ein unübersichtliches Wirrwarr aus Regelungen, Verboten und Reisewarnungen gestürzt. Österreicher aus Vorarlberg dürfen zwar die belgische Metropole Brüssel besuchen – Belgier, die aus

    Die Zusammenarbeit der europäischen Länder in der Corona-Krise ist mangelhaft

    Man sollte im Urlaub also aufs Handy schauen, um zu wissen, unter welchen Umständen man wieder nach Hause kommen darf. Regionen in 14 der 27 Mitgliedstaaten gelten aus deutscher Sicht als Risikogebiete. Eigentlich müssten es 15 sein, denn die Bundesrepublik selbst wird von den europäischen Nachbarn ebenfalls als Brandherd geführt. Das Durcheinander an Vorschriften und Auflagen wird mit jedem Tag mehr. Die Reisefreiheit innerhalb der EU, als wertvolles Gut und Grundpfeiler der europäischen Integration beschrieben, wird von den Mitgliedern selbst zerfleddert. Die vergleichsweise ruhigen Sommermonate wurden verpasst, um eine einheitliche Strategie zu entwerfen. Warum in einem Land ein Test vor der Einreise, im anderen aber nach der Ausreise nötig sein soll, mag verstehen, wer will. Plausibel ist das nicht.

    Natürlich gibt es ein Konzept, als dessen vorrangiges Ziel die Verhinderung eines neuen europaweiten Lockdown genannt wird. Infektionsherde müsse man vor Ort bekämpfen, anstatt gleich ein ganzes Land stillzulegen. Das ist und bleibt richtig, aber diese Erkenntnis war nie als Freibrief dafür gedacht, dass jeder machen kann, was er will. Europäische Koordination wird schmerzhaft vermisst.

    Das Ende der Reisefreiheit scheint kein Ergebnis erneuter Grenzkontrollen zu sein, sondern eine Folge der verbreiteten Unsicherheit – in einigen Fällen auch des Unwissens etlicher Zeitgenossen. Für die Bekämpfung der Pandemie weitaus schlimmer ist das grassierende Gefühl, das Virus könnte nicht mehr beherrschbar sein. Darauf reagieren die einen mit Selbstisolation. Und die anderen mit Ignoranz. Die wahren Querdenker sind die, die ohne Anweisung von oben verstanden haben, dass die eigene Freiheit endet, wo die Freiheit des anderen berührt wird.

    Die EU kämpft zu wenig gegen die bedrohte Reisefreiheit

    Für das europäische Projekt beinhaltet diese Situation eine vielsagende Botschaft. Im Gegensatz zu Wirtschafts- oder Klimaschutz-fragen hat die EU bei Gesundheitsthemen keine Zuständigkeit. Diese Hoheit verteidigen viele Regierungen ausgerechnet jetzt mit großem Einsatz. Ein Chaos wie bei Corona aber entsteht, wenn es keinen Zwang zur Zusammenarbeit gibt. Nicht einmal bilaterale Absprachen funktionieren. Europa hat versagt, weil

    Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wäre gut beraten gewesen, sich in dieser Frage an die Spitze der Union zu stellen, um die notwendige Balance zwischen regionalen, nationalen und europäischen Antworten auf Corona herzustellen. Dies nicht getan zu haben und auch weiter zu unterlassen, bedroht den freien Grenzverkehr mehr als spitzfindige Diskussionen über die Frage, wann wo eine zweite Welle ausbricht oder ob sie vielleicht schon da ist. Für die Reisefreiheit muss man kämpfen, sonst erstickt sie im Vorschriften-Dschungel einer Gemeinschaft, der die Gemeinsamkeit abhandengekommen ist.

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