Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Corona-Politik: Auf das Klagen der Einzelhändler folgen die Klagen

Kommentar

Corona-Politik: Auf das Klagen der Einzelhändler folgen die Klagen

Stefan Lange
    • |
    Stefan Genth ist Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE).
    Stefan Genth ist Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Foto: Die Hoffotografen/HDE, dpa-tmn

    Michael Busch ist sauer. "Wenn die Bundeskanzlerin sagt, wir sind in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, dann fordere ich sie auf: Frau Bundeskanzlerin, dann lassen sie uns danach handeln!" Busch ist Chef der Buchhandelskette Thalia und hat zusammen mit anderen Händlern schon mehrfach die Corona-Politik von Bund und Ländern kritisiert. Doch diesmal ist es richtig ernst. Wenige Tage vor dem nächsten Corona-Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder ist die Wut der Einzelhändler offenbar grenzenlos. Sollte es am kommenden Mittwoch keine Öffnungsperspektive geben, droht eine Klagewelle.

    Zwar hat Merkel gerade durchblicken lassen, dass sie sich im Verbund mit der Ausweitung von Schnelltests Lockerungen durchaus vorstellen kann. Doch die Händler interessieren Absichtsbekundungen gerade gar nicht. Sie wollen Fakten.

    Händler empfinden die Corona-Krisenpolitik als willkürlich

    "Bei uns zählt jeder Tag", warnt Timm Homann. Der Chef der Textilkette Ernstings Family ist mindestens so geladen wie der neben ihm sitzende Busch. Beide begleiten den Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, der neue Alarmzahlen im Gepäck hat.

    Homann sagt, nicht die Pandemie sei das Problem, sondern die Art, wie die Politik mit den Händlern umgehe. Von einem "beschämenden Krisenmanagement", spricht er und von "willkürlich zwangsgeschlossenen Handelsunternehmen". Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wirft er vor, sich lediglich die Bälle zuzuspielen und von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) erwartet er immer noch eine Entschuldigung. "Es gibt keinen Grund, sich wirklich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen", hatte der SPD-Politiker Müller die Schließungen im Einzelhandel verteidigt und solche Sätze treffen die Kaufmannsehre nachhaltig. Denn die Lager sind voll, eigentlich müsste schon die neue Kollektion bestellt werden, doch Platz gibt es nicht und Einnahmen auch nicht. Die Rechnungen allerdings laufen weiter.

    Die vom Staat angekündigten Hilfen kommen beim Einzelhandel nur unzureichend an. Im Schnitt erhielten die Betroffenen im vergangenen Jahr lediglich 11.000 Euro an Hilfsgeldern, wie eine Untersuchung des HDE ergeben hat. Die Folgen sind dramatisch: Mehr als 60 Prozent der Händler sehen sich laut HDE in Insolvenzgefahr, sollten sie in diesem Jahr keine weitere staatliche Unterstützung erhalten.

    Unternehmen fordern Öffnung ab 8. März und wollen notfalls klagen

    Die Folgen für die Staatskasse, unter anderem durch mehr Arbeitslose, wären deutlich spürbar. Den Steuerzahlern droht zudem Ungemach durch Klagen in Folge der Lockdowns. Genth verweist darauf, dass allein in der Bekleidungsbranche laut HDE-Umfrage mehr als ein Viertel der Händlerinnen und Händler wegen der Schließung des eigenen Geschäfts den Gang vor Gericht erwägt. Es sind nicht nur die Großen der Branche, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen, die die damit verbundenen Kosten und das Prozessrisiko auf sich nehmen.

    Auch Klagen gegen Grundrechtseingriffe werden erwartet oder laufen bereits. Da geht es dann zum Beispiel um Eingriffe in das Recht auf freie Berufsausübung oder den Artikel 14 Grundgesetz, der sich mit Enteignungen und Entschädigungen befasst. Noch diese Woche will der HDE allen Händlern ein Rechtsgutachten zur Verfügung stellen, mit dem sie gegebenenfalls Hilfen einklagen können.

    Genth sagt, viele Händler würden das Bund-Länder-Treffen am 3. März abwarten und dann entscheiden, ob sie Klage einreichen. Die Erwartung des Einzelhandels an die Runde ist eindeutig. "Wir fordern und brauchen die Öffnung des Handels ab 8. März", sagt Busch. Er verweist auf bestehende Hygienekonzepte, Studien und Aussagen des RKI. Demnach ist das Infektionsrisiko im Handel sehr niedrig. Die Öffnung des Einzelhandels, betont Busch, stelle "kein erhöhtes Risiko dar".

    Das könnte Sie auch interessieren:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden