Sicher, es geht um viel Geld. Sehr viel Geld sogar. Aber es geht eben auch um mehr. Als die 27 Staats- und Regierungschefs am Freitag ihre Beratungen in Brüssel begannen, wussten alle, dass sie kein Ergebnis finden werden, wenn sie sich nicht auf die Kernfragen der Verteilung und Kontrolle des milliardenschweren Paketes für den Wiederaufbau und den Haushaltsentwurf konzentrieren.
Es ist ein bekanntes politisches Instrument, Gegensätze dadurch zu überwinden, dass man Streitfragen erst einmal ausklammert. In diesem Fall heißt das: Der Druck, ein solidarisches Zeichen zu setzen, um die Schäden der Pandemie zu beseitigen, ist so groß, dass andere Themen, die auf dem Weg hinderlich sein könnten, übergangen werden. Das mag bei der einen oder anderen Kürzung im Etat schon schwer erträglich sein.
Ganz sicher wäre aber das „Vergessen“ der Rechtsstaatlichkeit als Grundlage für Zuwendungen aus Brüssel ein moralischer Tiefpunkt. Seit nunmehr zehn Jahren bauen Regierungschefs in einigen Ost-Ländern systematisch demokratische Grundrechte ab. Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Justiz, Schutz von Minderheiten, ja sogar persönliche Bereicherung werden hingenommen. Die EU reagiert, aber nur hilflos, weil die notwendigen Mehrheiten fehlen. Bei der Alternative „Moneten oder Moral?“ hat Letztere offenbar keine Chance.
Lesen Sie dazu auch:
- Streit um Corona-Hilfen: Noch keine Einigung bei EU-Gipfeltreffen
- Von der Leyen im Elfenbeinturm: Erstes Jahr als EU-Kommissionschefin
- Corona: Auch EU-Kompromissvorschlag trifft auf Kritik
- So soll die deutsche EU-Ratspräsidentschaft aussehen