Es ist ein schmerzhafter Sieg für Theresa May. Sie überstand das Misstrauensvotum, mit dem die Rebellen in der konservativen Fraktion die Premierministerin stürzen wollten..Doch ein Drittel der Abgeordneten entzogen May das Vertrauen. Wie will sie so den mit der Europäischen Union ausgehandelten Brexit-Deal im Parlament durchsetzen? Überhaupt: Wie will sie so weiterregieren?
May ist nahezu handlungsunfähig und doch irgendwie unantastbar. Denn sie kann nun ein Jahr lang nicht mehr von den eigenen Leuten gestürzt werden – und freiwillig wird sie nicht gehen. Unverwüstlich und stur trotzt die Konservative seit der verpatzten Wahl 2017 allen Angriffen. Dabei hat sie sich mittlerweile etliche Fehler geleistet und ihre Fraktion endgültig gegen sich aufgebracht, als sie das Parlamentsvotum über das Austrittsabkommen aus Sorge vor einer krachenden Niederlage kurzerhand absagte. Große Teile der Partei schäumten zu Recht vor Wut.
Theresa May schlingert unentschlossen und ungelenk durch ihre Amtszeit
Das Problem: May lieferte keinen Plan B, brach stattdessen zu einer Charme-Offensive in Richtung Kontinent auf, wo sie dieselbe Botschaft zu hören bekam, die den Briten seit Wochen auf allen Kanälen vermittelt wird: Die EU wird das Vertragspaket nicht noch einmal aufschnüren. Auf der Insel ignoriert man solche Aussagen hartnäckig. Bemerkenswert ohnehin, wie viele Brexit-Cheerleader meinen, sie hätten auch nach der Scheidung eine Sonderbehandlung in Europa verdient. Dass die Konservativen im Moment der nationalen Krise eine Misstrauensabstimmung auslösten, ist unverantwortlich, egoistisch und arrogant dazu.
Einmal mehr standen Karriereambitionen über dem Wohlergehen des Landes. Der Großteil der Bevölkerung blickt verständlicherweise angewidert auf die innerparteiliche Zerfleischung der Tories. Die gehen so schonungslos wie keine andere Partei mit ihren Vorsitzenden um, wenn diese nicht in ihrem Sinne liefern. Und von May hatten die Hardliner einen EU-Austritt ganz in ihrem von Ideologien verblendeten Sinne erwartet. Sie haben es sich im La-La-Land gemütlich gemacht, indem sie vom 19. Jahrhundert träumen. Kompromisse? No way. Vielmehr drückten sich Brexiteers wie Boris Johnson davor, eine realistische Lösung anzubieten oder am Verhandlungstisch mitzugestalten.
Theresa May verspricht zu gehen, um bleiben zu können
Nun musste May versprechen, in ferner Zukunft zu gehen, um erst mal bleiben zu können. Bei den nächsten Wahlen wird sie nicht mehr an der Parteispitze stehen. Dass diese erst im Jahr 2022 stattfinden sollen, wirkt angesichts der Tumulte beinahe utopisch. Es könnte nämlich ausgerechnet eine Neuwahl sein, die den Stillstand aufbricht. Oder ein zweites Referendum. Die EU-Freunde schöpfen bereits Hoffnung. Dabei ist keineswegs klar, dass die Bevölkerung sich dann für Europa aussprechen würde.
Was derzeit auf der Insel passiert, geht als kollektives Scheitern der politischen Klasse in die Geschichte ein. Theresa May hat ihren Anteil am Theater. Unentschlossen und ungelenk schlingerte sie durch ihre Amtszeit. Die Premierministerin verpasste es nicht nur, ihre Partei sowie die tief gespaltene Bevölkerung zu einen. Ihre Besessenheit vom Thema Einwanderung ließ May erst jene roten Linien ziehen, die ihr nun in Brüssel keinerlei Verhandlungsspielraum lassen.
Als die Regierungschefin Verbündete brauchte, um das Austrittsabkommen zu Hause durchzusetzen, rächten sich ihre ständigen Alleingänge und das Kommunikationsdesaster. Aber es ist kaum anzunehmen, dass sie ihren Stil ändert. Bis 21. Januar muss das Parlament über den Brexit-Deal abstimmen. Für einen Sieg braucht May ein Wunder.
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