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Kommentar: Boris Johnson riskiert das Auseinanderbrechen seines Landes

Kommentar

Boris Johnson riskiert das Auseinanderbrechen seines Landes

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    Er Schießt weiter scharf gegen die EU: Premier Boris Johnson. Damit hat er nun Grenzen überschritten.
    Er Schießt weiter scharf gegen die EU: Premier Boris Johnson. Damit hat er nun Grenzen überschritten. Foto: Toby Melville, dpa

    Beobachter des jüngsten Brexit-Dramas wähnen sich zuletzt in einem Paralleluniversum. Stehen wir wirklich wieder am Anfang dieser unendlichen Geschichte – wird doch gerade über den künftigen Handelsdeal verhandelt? Eigentlich war ein Kompromiss gefunden, das Austrittsabkommen wurde von London und Brüssel ratifiziert.

    Dass die Briten plötzlich damit drohen, mit einem Gesetz Teile des Deals zu ändern und damit nicht nur ihr Wort zu brechen, sondern internationales Recht zu verletzen, mag bestenfalls ermüdend erscheinen. Schlimmstenfalls gefährdet der Plan das wirtschaftliche wie sicherheitspolitische Verhältnis mit der Europäischen Union und hat negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Königreichs auf viele Jahre hinaus.

    Boris Johnson hetzt die Briten mit Polemik und Populismus gegen die EU auf

    Johnsons Kommunikationsstrategie wurde nun offenbar: Er verkauft seinem Volk das Märchen, dass die EU die Integrität des Vereinigten Königreichs untergraben will. Dabei lässt der Premier außer Acht, dass er es selbst ist, der mit seiner Rambo-Art und Ignoranz gegenüber der Realität in Nordirland das Auseinanderbrechen des Landes riskiert. In seinem ersten Amtsjahr hat Johnson bereits gezeigt, wozu er fähig ist. Doch dieser Tage überbietet sich der Regierungschef noch in Sachen Polemik und Populismus, Tiraden und Taktikspielchen.

    Bei den Tories hat eine Trumpisierung stattgefunden, die erschütternd ist. Johnsons Vorgänger wie auch der Großteil der Abgeordneten stellten weder jemals die demokratischen Institutionen noch die Rechtsstaatlichkeit in Frage. Doch seit der Übernahme des extrovertierten Polit-Entertainers scheint nicht mehr viel vom klassischen britischen Konservatismus übrig zu sein. Etliche Parlamentarier lassen es an Integrität missen und offenbaren stattdessen einen gefährlichen Opportunismus, der darin resultiert, dass sie ihrem Chef bei jeder Kehrtwende folgen – sei sie noch so schamlos oder absurd. Plötzlich wird ein Deal mit feindseliger Rhetorik gegenüber der Europäischen Union verrissen, den eben jene Politiker noch vor wenigen Monaten in den Himmel gepriesen haben. Viele wurden sogar lediglich auf dem Ticket des Abkommens ins Parlament gewählt.

    Boris Johnson überschreitet Grenzen mit der Verbreitung von Halbwahrheiten

    Boris Johnson überschreitet derweil mit Halbwahrheiten Grenzen. Und auch wenn die Westminster-Blase, ob linksliberal oder rechtskonservativ, überwiegend schockiert auf die Entwicklungen reagiert – bei jenen Wählern, die Johnson mit seiner Strategie ansprechen will, kommt es an, dass er eine vermeintlich harte Hand gegenüber der Europäischen Union zeigt und – zumindest auf den ersten Blick – patriotisch für die Interessen Großbritanniens kämpft.

    Das entspricht natürlich keineswegs der Wirklichkeit. Nur wird das in einigen Kreisen mit einer bemerkenswerten Überheblichkeit übergangen. Da werden kritische Stimmen aus der Wirtschaft ignoriert, Diplomaten missachtet, Juristen verhöhnt und Experten als Brüsseler Sprachrohre verspottet.

    So legen sich die europaskeptischen Hardliner aus Großbritannien die Welt in ihrem Sinne zurecht, ob mit Fakten unterfüttert oder nicht, und träumen öffentlich von jenem „Global Britain“, zu dem sich das Land angeblich nach Loslösung aller Fesseln der Europäischen Union entwickeln wird.

    Wie sich dieses Ziel jedoch umsetzen lassen soll nach den vergangenen Jahren und noch mehr nach den letzten Wochen, ist zumindest zweifelhaft. Denn die Regierung präsentiert sich mit ihren Plänen als Partner, der das Vertrauens der Europäischen Union nicht verdient hat – und mittlerweile auf dem Weg ist, zum Gespött der Welt zu werden.

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