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Kommentar: Belarus: Swetlana Tichanowskaja gebührt der Friedensnobelpreis

Kommentar

Belarus: Swetlana Tichanowskaja gebührt der Friedensnobelpreis

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    Swetlana Tichanowskaja forderte den belarussischen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Parlamentswahl heraus.
    Swetlana Tichanowskaja forderte den belarussischen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Parlamentswahl heraus. Foto: Sergei Grits, dpa

    Vor den protestierenden Menschen in Belarus kann man sich nur tief verneigen. Ihr Mut und Freiheitswille verdienen größte Bewunderung. Nach der offen gefälschten Präsidentenwahl vom Sonntag gingen ja nicht einfach nur Zehntausende auf die Straße, um ihrer Empörung über Diktator Alexander Lukaschenko und seine rechtlose Dauerherrschaft Luft zu machen. Sie stellten sich auch der schwer bewaffneten Sonderpolizei entgegen und dem Militär, das rund um Minsk Stellung bezogen hatte. Sie forderten Freiheit und ließen sich niederknüppeln. Einige warfen mit Äpfeln. Zur Antwort flogen Blendgranaten.

    Lukaschenko wird in Belarus so lange es geht mit Gewalt weiterregieren

    All das ist umso beachtlicher, als die Chancen auf einen Erfolg der Protestbewegung gegen null tendieren. Denn klar ist, dass Lukaschenko nicht von sich aus weichen wird. Solange ihm Armee, Geheimdienst und Polizei folgen, wird er mit Gewalt weiterregieren. Dazu hat er sich oft genug bekannt.

    Nach der belarussischen Präsidentschaftswahl ist es zu blutigen Zusammenstößen von Polizei und Demonstranten gekommen.
    Nach der belarussischen Präsidentschaftswahl ist es zu blutigen Zusammenstößen von Polizei und Demonstranten gekommen. Foto: Sergei Grits, dpa

    Aber auch ein Putsch gegen den Präsidenten ist nicht in Sicht. Seit seinem Amtsantritt vor 26 Jahren hat sich Lukaschenko die Führung des Sicherheitskomplexes gefügig gemacht. Er hat Generäle mit Geld gekauft, Polizeichefs mit Privilegien gepäppelt und ihnen allen einen Teil der Macht verliehen.

    Lukaschenkos Regime hängt am Tropf Russlands

    Doch noch etwas Entscheidendes kommt hinzu. Es ist ein offenes Geheimnis in Minsk, dass Russland die Unabhängigkeit des Nachbarn Belarus eher duldet als akzeptiert. Schon in den 90er Jahren wurden mehrere Unionsverträge zwischen den früheren Sowjetrepubliken geschlossen, in denen das Ziel eines Staatenbundes festgeschrieben ist. Der russische Präsident Wladimir Putin hat zuletzt darauf gepocht, Lukaschenko zu einer „Wiedervereinigung“ zu drängen – selbstverständlich unter Moskauer Führung. Am Ende ließ er den Diktator in Minsk dann aber doch gewähren. Bis auf Weiteres. Putins Rechnung ist simpel: Solange Lukaschenko alle demokratischen Umtriebe in Belarus im Keim erstickt und eine Hinwendung zum Westen unmöglich macht, braucht sich kein Russe die Hände schmutzig zu machen.

    Dabei kann es keinen Zweifel daran geben, wer Koch und wer Kellner ist. Denn wirtschaftlich und finanziell hängt das Lukaschenko-Regime am Tropf Russlands. Ebenso klar war immer, dass Putin in Belarus keine demokratischen Experimente wie in der Ukraine dulden wird. Ein Putsch gegen Lukaschenko ist deshalb nur von Gnaden des Kremls denkbar. Das wiederum heißt für die mutigen Menschen in Belarus, die sich in diesen Tagen der Staatsmacht entgegenstellen, dass sie selbst bei einem Sturz Lukaschenkos nicht bekämen, wonach sie sich sehnen. Weder Freiheit noch Gerechtigkeit.

    Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja verspricht Frieden und Gerechtigkeit in Belarus

    Beides verspricht Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Der 37-Jährigen gebührt schon jetzt der Friedensnobelpreis. Sie trägt konsequent ihre einfache und doch so explosive Forderung nach einer freien, fairen und selbstbestimmten Wahl der Menschen in Belarus vor. Zugleich mahnt sie eindringlich zur Gewaltlosigkeit.

    Es ist gut möglich, dass Tichanowskaja am Ende im Gefängnis landet wie ihr Mann Sergei, in dessen Namen sie in den Wahlkampf zog. Dort müssten die beiden dann auf ein Wunder warten wie einst Nelson Mandela in Südafrika. Der Vergleich, der ein wenig hinken mag, soll zeigen: Ein Funken Hoffnung glimmt immer, mögen die Aussichten noch so finster sein. Zugleich aber muss sich, wer sich an dieser Hoffnung aufrichten will, auf eine lange, lange Wegstrecke einstellen. Das gilt umso mehr, als echte Hilfe aus der EU oder dem geschwächten Westen insgesamt nicht in Sicht ist. Niemand in Berlin, Brüssel oder Washington wird sich wegen Belarus in einen Großkonflikt mit Russland stürzen.

    Lesen Sie dazu auch: Größter Protest seit Zerfall der UdSSR: Die Krawallnacht von Minsk

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