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Kommentar: Bei der Bundeswehr geht es nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung

Kommentar

Bei der Bundeswehr geht es nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung

Simon Kaminski
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    Reparaturbetrieb: Mechaniker arbeiten an defekten Marine-Hubschraubern vom Typ Sea King. Experten fordern nachhaltige Investitionen in die Modernisierung der Bundeswehr. 
    Reparaturbetrieb: Mechaniker arbeiten an defekten Marine-Hubschraubern vom Typ Sea King. Experten fordern nachhaltige Investitionen in die Modernisierung der Bundeswehr.  Foto: Carsten Rehder, dpa (Archiv)

    Bratwurst, Sonne und militärisches Gerät in Aktion – so wollte sich die Truppe an diesem Samstag an ausgewählten Standorten eigentlich präsentieren. Eigentlich, denn der in der Bevölkerung beliebte „Tag der Bundeswehr“ in seiner Form als Mix aus Volksfest und Informationsveranstaltung fällt in diesem Jahr aus. Gegen das Coronavirus schützt eben auch Panzerstahl nicht. Übrig bleibt eine nüchterne digitale Variante des Tages im Netz unter dem Motto „Wir sind da“. Ein Slogan, der für Präsenz und Aufbruch stehen soll. Mit Blick auf die anhaltend schwierige Lage der Streitkräfte könnte man allerdings auch einen Ruf nach Aufmerksamkeit heraushören. Im Sinne von „Hallo, wir sind auch noch da“.

    Jetzt kommen die Forderungen, Rüstungsprojekte zurückzustellen 

    Die positive Resonanz auf die Unterstützung, die die Bundeswehr in der dramatischsten Phase der Pandemie ankündigte und auch leistete, ist bereits etwas verklungen. Nun, da von Tag zu Tag offensichtlicher wird, wie gewaltig die ökonomischen Folgen der Pandemie sind, wird die Große Koalition mit Forderungen konfrontiert, Rüstungsprojekte zurückzustellen oder gar zu streichen. Dass die Linke und Teile der Grünen dies verlangen, kann nicht überraschen. Aber auch in der SPD gibt es für diese Linie Sympathien.

    Es ist legitim, darüber nachzudenken, ob einzelne Vorhaben zeitlich gestreckt werden könnten. Fragwürdig wird es aber, wenn Corona als Vorwand dafür missbraucht wird, dringend nötige Investitionen zu kippen. Dahinter steckt nicht selten das Vorurteil, dass die Projekte eine neue Phase der Aufrüstung der Bundeswehr einleiten sollen. Doch das ist Unsinn. Hans-Peter Bartels, bis vor kurzem Wehrbeauftragter, hat es auf den Punkt gebracht: Bei den Investitionen gehe es nicht um Aufrüstung, sondern schlicht um Ausrüstung, sagte der SPD-Politiker.

    Bundeswehr: Wer jetzt nicht handelt, zahlt später mehr 

    In der Tat sind, trotz einer leichten Entspannung bei der Einsatzbereitschaft einzelner Waffengattungen, derzeit beispielsweise rund 40 Prozent der extrem wichtigen Transporthubschrauber nicht verwendungsfähig, bei den Schützenpanzern sieht es kaum besser aus. Wer jetzt nicht handelt, zahlt später mehr. Umso fataler ist, dass sich auch die Beschaffung neuer Kampfjets für die fliegenden Oldtimer vom Typ Tornado durch politische Taktierereien weiter zu verzögern droht.

    Wer die Konzepte kritisiert, aus der Bundeswehr endlich wieder eine effektive Truppe zu formen, riskiert kaum etwas. Denn in weiten Teilen der Bevölkerung sind Ausgaben für die Verteidigung traditionell nicht populär – insbesondere nach Ende des Kalten Krieges. Dabei wird das Offensichtliche ausgeblendet: Deutschland kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass die USA mit ihrer Militärmacht die Sicherheitslücken in Europa schließen. Die durchgesickerten Überlegungen in Washington, die Zahl der Soldaten in Deutschland um fast ein Drittel zu reduzieren, sprechen Bände. Der US-Präsident schert sich nicht darum, dass solche Gerüchte die Nato schwächen. Doch auch wenn der unberechenbare Trump die Wahl im Herbst verlieren sollte – die USA werden ihr Engagement in Europa tendenziell eher weiter zurückfahren. Und das in einer Welt, die keineswegs sicherer geworden ist.

    Eine engere europäische Kooperation wäre gut - doch es blieb bei Ankündigungen 

    Richtig ist, dass es wünschenswert wäre, wenn Europa zu einer engen gemeinsamen Verteidigungsstrategie finden würde. Davon wird seit vielen Jahren gesprochen – viel passiert ist jedoch nicht. Konzepte zur Kooperation wären realistischer, wenn zunächst die einzelnen Staaten zügig darangingen, ihre Streitkräfte zu modernisieren. Auch Deutschland. Dann würde „Wir sind da“ ganz anders klingen.

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