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Kommentar: Auch Martin Schulz kann das Dilemma der SPD nicht auflösen

Kommentar

Auch Martin Schulz kann das Dilemma der SPD nicht auflösen

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    Martin Schulz beim SPD-Sonderparteitag in Dortmund.
    Martin Schulz beim SPD-Sonderparteitag in Dortmund. Foto: Jonas Güttler, dpa

    Willy Brandt stand einst für die neue Ostpolitik sowie die gesellschaftliche Modernisierung nach der Adenauer-Ära. Helmut Schmidt verband internationales Ansehen und ökonomischen Sachverstand. Und Gerhard Schröder verkörperte einen neuen Aufbruch nach der Stagnation der 16-jährigen Kanzlerschaft von Helmut Kohl und reformierte das Land.

    Nun will Martin Schulz als vierter Sozialdemokrat Bundeskanzler werden. Aber auch er steht vor dem alten Dilemma der SPD: Wahlen werden in Deutschland in der Mitte gewonnen. Den Kanzler stellen kann sie daher nur, wenn sie mit einer starken Persönlichkeit antritt, die nicht nur in den eigenen Reihen auf breite Akzeptanz stößt und das eigene Potenzial weitgehend ausschöpft, sondern weit in das bürgerliche Lager hinein ausstrahlt und somit Wähler erreicht, die nicht unbedingt zum harten Kern der Sozialdemokratie gehören.

    Schulz findet keine Schwachstelle im Merkel-Bollwerk

    Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück ist dies nicht gelungen. Da sie keine überzeugende Alternative zur Kanzlerin darstellten, konnten sie nicht einmal die eigene Basis mobilisieren, geschweige denn der Union die dringend benötigten Stimmen abjagen. Gleichzeitig fehlte es ihnen an einer eigenen Machtoption, Rot-Grün war zu schwach, Rot-

    An dieser Grundkonstellation hat sich im Grunde nichts verändert. Mag Schulz auch seine bisherige Zurückhaltung aufgeben und die Kanzlerin persönlich hart attackieren, ihr wie der gesamten Union Arbeitsverweigerung und Inhaltsleere vorwerfen und ein Wahlprogramm vorlegen, das mehr Investitionen und mehr Gerechtigkeit verspricht, er schafft es nicht, eine wirkliche Wechselstimmung zu erzeugen. Dem Programm fehlt es an einer zündenden Idee, es kommt eher bieder daher, womit es irgendwie zum Kandidaten passt.

    Der surreale Hype um seine Person nach seiner Nominierung entpuppte sich als kurzes Strohfeuer, in den Umfragen liegt die SPD wieder da, wo sie unter dem ungeliebten Gabriel auch schon stand. Auch nach zwölf Jahren im Amt prallen an Merkel, der Sphinx im Kanzleramt, alle Angriffsversuche ab. Von Amtsmüdigkeit keine Spur, im Gegenteil, nach dem zwischenzeitlichen Meinungstief als Folge der umstrittenen Flüchtlingspolitik sitzt die Kanzlerin fester denn je im Sattel.

    Selbst Horst Seehofer hat seine Dauersalven eingestellt. So breit hat Merkel die Union in der Mitte positioniert, so viele Positionen der Konkurrenz hat sie im Laufe der Zeit übernommen, dass Schulz einfach kein Loch findet, das Bollwerk zu knacken. Und nachdem die bekennende USA-Freundin sogar öffentlich auf Distanz zum transatlantischen Partner gegangen ist, hat sie der SPD sogar dieses Thema geklaut. Auf dem G20-Gipfel in zwei Wochen kann sich Merkel einmal mehr als Hauptakteurin auf der internationalen Bühne in Szene setzen, während Schulz an der Bande steht.

    Derzeit hat die SPD keine Chance aufs Kanzleramt

    Seit bald 20 Jahren ist die SPD an der Macht, nur zwischen 2009 und 2013 war sie in der Opposition. Jede Kritik an den bestehenden Defiziten und Missständen, die es zu beseitigen gilt, klingt daher wie das Eingeständnis eigener Versäumnisse, nicht als kühner Gegenentwurf zur Union. Krasser könnte der Gegensatz nicht sein: Während die SPD noch immer mit der Agenda-Politik Schröders hadert und Korrekturen fordert, reklamieren CDU und CSU die Erfolge der SPD für sich. So aber kann man die Wähler nicht begeistern.

    Zwei Mal gelang es der SPD, der Union das Kanzleramt abzunehmen, 1969 und 1998. Beides Mal war die CDU personell wie programmatisch ausgelaugt, beides Mal stand die SPD für einen Neuanfang und Modernisierungsschub, beides Mal konnte sie mit charismatischen Kandidaten weit ins bürgerliche Lager vordringen und die politische Mitte besetzen. Wenig deutet darauf hin, dass sich dies wiederholt und Schulz in die Fußstapfen von Brandt und Schröder treten kann. Die Erkenntnis, banal, aber bitter für die SPD: Eine echte Chance auf das Kanzleramt hat sie wohl erst, wenn Merkel wirklich am Ende ist.

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