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Kommentar: Annalena Baerbock: Ist Deutschland reif für eine grüne Kanzlerin?

Kommentar

Annalena Baerbock: Ist Deutschland reif für eine grüne Kanzlerin?

Rudi Wais
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    Will Kanzlerin werden: Annalena Baerbock.
    Will Kanzlerin werden: Annalena Baerbock. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Selbst im grünen Biotop wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Mit Annalena Baerbock hat die Partei zwar in selten erlebter Einmütigkeit ihre K-Frage geklärt, dass der Hype um die Grünen die 40-Jährige tatsächlich bis ins Kanzleramt trägt, ist damit aber noch lange nicht gesagt. Auch vor den letzten Bundestagswahlen lag die Partei in den Umfragen deutlich besser als bei der Auszählung der Stimmen am Wahlabend. Je näher der Tag der Entscheidung rückt, umso genauer achten die Wähler auch auf die Folgen, die die Politik der Grünen für sie hätte. Es macht eben einen Unterschied, sich in Umfragen unverbindlich zu grünen Herzensanliegen wie dem Klimaschutz zu bekennen oder ihn über höhere Spritpreise oder Steuern tatsächlich mitfinanzieren zu müssen.

    Die Entscheidung für Annalena Baerbock folgt gleichwohl einer gewissen Logik. Wer, wenn nicht die Grünen, sollte im Zweifel einer Frau dem Vorzug vor einem Mann geben? Wo, wenn nicht bei den Grünen, zählt Empathie mehr als Erfahrung? Überdies ist die Kandidatin der grünen Herzen besser vernetzt in der Partei als Habeck und vermutlich auch den Tick ehrgeiziger, den es braucht, um in der Politik ganz nach oben zu kommen.

    Den Grünen genügen das demonstrative Selbstbewusstsein der Kandidatin und das gute Gefühl, es schon irgendwie schaffen zu können

    Dass ihr jede Regierungserfahrung fehlt, verzeihen ihr die Grünen großzügig. Ihnen genügen das Selbstbewusstsein der Kandidatin, ihre forsche Unbekümmertheit und das gute Gefühl, es mit ihr schon irgendwie schaffen zu können. Viele Deutsche aber werden sich sehr wohl fragen, ob sie eine der größten Volkswirtschaften der Welt einer Frau anvertrauen wollen, die noch nicht einmal ein Landratsamt geführt hat geschweige denn ein Ministerium.

    Annalena Baerbock ist seit 2005 Mitglied der Grünen. Ab Oktober 2008 gehörte sie dem Brandenburger Landesvorstand der Partei an. Am 14. November 2009 wurde sie neben Benjamin Raschke zu einer von zwei gleichberechtigten Vorsitzenden des Landesverbands Brandenburg gewählt.
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    Die Grünen haben bekanntgegeben, dass sie Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl schicken. Ihr Leben in Bildern.

    Gutes Regieren, das wird gerne unterschätzt, ist auch Handwerk – und das will erlernt und beherrscht werden. Einfach mal rasch die Finanzierung der Nato infrage zu stellen oder den Kohleausstieg um acht Jahre vorziehen zu wollen, wie die Oppositionspolitikerin Baerbock es tut – das kann eine Kanzlerin sich nicht erlauben. In diesem Amt, hat der damalige Außenminister Joschka Fischer einst gesagt, bewege sich ein Politiker „in der Todeszone“. Dort werde der Sauerstoff knapp, die Luft dünn und jeder Fehler sofort bestraft.

    Als Kanzlerin wäre Annalena Baerbock dem Land verpflichtet, nicht der Partei

    Andererseits ist die politische Lage gerade so volatil wie noch nie und auch ein buntes Dreierbündnis unter einer grünen Kanzlerin – eine denkbare Option. Als Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück 2009 bzw. 2013 gegen Angela Merkel antraten, mussten sie die bittere Erfahrung machen, dass Kanzler zu sein vermutlich um einiges einfacher ist, als Kanzler zu werden. Bei Annalena Baerbock verhält es sich nun genau umgekehrt: Wenn die Union sich weiter in destruktiver Lust zerlegt, steigen ihre Chancen auf die Merkel-Nachfolge. Aber könnte sie auch Kanzlerin?

    Eine Politik für die Breite der Gesellschaft, wie die Kandidatin sie verspricht, schreibt den Menschen jedenfalls nicht vor, wie viel Fleisch sie noch essen dürfen, oder verbietet ihnen gar den Bau eines Einfamilienhauses. Zu glauben, mit ihr zöge eine Art Kretschfrau ins Kanzleramt ein, pragmatisch und weit in konservative Milieus hinein vermittelbar wie der baden-württembergische Ministerpräsident, wäre also reichlich naiv. So verbindlich Annalena Baerbock im Ton sein kann, so hart ist sie in der (grünen) Sache. Sie will Veränderung – und das keineswegs nur in homöopathischen Dosen.

    Aus ihrer Sicht machen die Grünen mit der Kanzlerkandidatin Baerbock alles richtig: Sie hat das Vertrauen der Basis über alle Parteiflügel hinweg, eine enorme mediale Präsenz und damit eine Ausgangsposition, wie sie vor ihr noch kein grüner Kandidat je hatte. Ob der Rest des Landes schon reif ist für eine grüne Kanzlerin, steht auf einem ganz anderen Blatt.

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