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Kommentar: Angela Merkel auf der Weltbühne: Wer ihr Amt übernimmt, hat es nicht leicht

Kommentar

Angela Merkel auf der Weltbühne: Wer ihr Amt übernimmt, hat es nicht leicht

Margit Hufnagel
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    Angela Merkel auf der Weltbühne: Wer ihr Amt übernimmt, hat es nicht leicht
    Angela Merkel auf der Weltbühne: Wer ihr Amt übernimmt, hat es nicht leicht Foto: Stefan Rousseau

    Wer sich in diesen Tagen mit ausländischen Journalisten unterhält, der wird immer wieder mit einer Frage konfrontiert: Ob es nicht doch sein könne, dass es sich Kanzlerin Angela Merkel nochmal anders überlegt und weitermacht. Ein Deutschland ohne Merkel ist für viele nach 16 – manchmal langen – Jahren offenbar unvorstellbar. Die Bundestagswahl im September wird daher nicht nur ein Umbruch für die Deutschen, sondern auch für große Teile der Welt. Dort hatte sich die Kanzlerin eine Bühne erarbeitet, auf der sie bewundert, bisweilen staunend beobachtet wurde.

    Pragmatismus und Zähigkeit: Angela Merkel und ihr Vermächtnis auf der Weltbühne

    Nicht eitel wie Macron, nicht aufbrausend wie Trump, nicht geschmeidig wie Kurz – mit ihrem deutschen Pragmatismus und einer großen Zähigkeit beeindruckte sie. Als „Königin der Nacht“ setzte sie sich bei so manchem kräftezehrenden Gipfel durch, der erst in den frühen Morgenstunden endete. Euro-Krise, Flüchtlingskrise, der Krieg in der Ukraine – Merkel ist außenpolitisch gestählt. Sie war das personifizierte „Fürchtet euch nicht“, sie setzte auf Zusammenarbeit (es war Merkel, die darauf pochte, dass der Corona-Impfstoff über die EU bestellt werden soll) und die Kraft des persönlichen Austauschs. Ohne sie ging nichts in Europa. 2015 erklärte die Zeitschrift Time Merkel zur „Kanzlerin der freien Welt“.

    Beim G7-Gipfel in Cornwall hatte die 66-Jährige einen ihrer letzten großen internationalen Auftritte, schon beim nächsten Treffen der mächtigsten Staaten wird ein anderer oder eine andere ihren Platz eingenommen haben. Wer auch immer es wird, wird eine große Aufgabe vor sich haben. Und das liegt nicht nur am Ansehen der deutschen Kanzlerin, sondern auch daran, dass sie eine gewaltige Aufgabe hinterlässt. Denn so groß ihre Fußspuren auf dem internationalen Parkett auch sind, manchmal fehlte ihr im entscheidenden Moment der Mut zum nächsten Schritt. Und so wird sich das Land entscheiden müssen, welche Rolle es künftig spielt, ob es bereit ist, die Verantwortung, die ihm auch von außen angetragen wird, zu übernehmen.

    Erneuerung der NATO: Joe Biden ist Versprechen und Herausforderung zugleich

    Die von den eigenen Mitgliedern im Würgegriff gehaltene EU braucht dringend neuen Schwung, um Antworten auf die großen Probleme zu finden: die europäische Asylpolitik, die Klimafrage und die mit ihr verbundene soziale Frage, die durch Polen und Ungarn bedrohte Rechtstaatlichkeit, die abzusehenden ökonomischen Nachwehen der Corona-Pandemie.

    Auch die Nato lechzt nach Erneuerung und das nicht erst seitdem sie vom französischen Präsidenten für „hirntot“ erklärt worden ist. Dass sich Amerika auch unter Joe Biden nicht mehr als Weltpolizist einspannen lässt, dürfte sich inzwischen bis in den fernsten Regierungssitz herumgesprochen haben. Bidens Bekenntnis zur Allianz wird damit einerseits zum Versprechen, andererseits aber zugleich zur Herausforderung.

    Angela Merkel: Der Weg der Kanzlerin führte auch mal in die Sackgasse

    Wegducken wird sich Deutschland in dieser Gemengelage nicht können. Im Gegenteil: Gerade ein Personalwechsel wird den Druck auf die neue Regierungsspitze erhöhen, sich in vielen Fragen klar zu positionieren. Und in vielen Antworten wird sich widerspiegeln müssen, dass sich die Machtverhältnisse in den vergangenen Jahren massiv geändert haben. China ist längst nicht mehr der Hoffnungsträger, der sich mit fortschreitendem Wohlstand dem Westen annähert.

    Das Regime hat keine Scheu vor einem immer härteren Umgang mit Kritikern, es schert sich weder um Menschenrechte noch um die Regeln der internationalen Handelsbeziehungen. Wenn der Westen es ernst meint mit seinen Werten, wird er genau abwägen müssen, wie die sich mit wirtschaftlichen Interessen vereinbaren lassen. Washington jedenfalls lässt keinen Zweifel daran, dass das Kräftemessen mit Peking zu den dominierendsten Punkten der eigenen Politik zählen wird.

    Merkel versuchte es lange mit einem eigenen, deutlich vorsichtigeren Weg. Ihr Nachfolger wird notgedrungen entscheiden müssen, ob der sich nicht als Sackgasse entpuppen könnte. Auch Russland hat sich verändert in den vergangenen 16 Jahren. Putin schreckt vor kaum einem Schurkenstreich zurück, Europa bleiben oft nicht mehr als der erhobene Zeigefinger und markige Worte. Da war selbst die erfahrene Bundeskanzlerin zur Hilflosigkeit verdammt.

    Wer auch immer im Herbst also ins Kanzleramt einzieht, wird eine Welt vorfinden, in der vieles im Umbruch ist. Merkels Erbe wird dabei ein politischer Schatz als auch ein schwerer Rucksack zugleich sein.

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