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Kommentar: Amtsübergabe in den USA: Wird Trump zum Schattenpräsidenten?

Kommentar

Amtsübergabe in den USA: Wird Trump zum Schattenpräsidenten?

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    Müssen wir uns darauf einstellen, dass es nicht einen, sondern zwei Präsidenten in den USA geben wird - einen gewählten und einen Schattenpräsidenten?
    Müssen wir uns darauf einstellen, dass es nicht einen, sondern zwei Präsidenten in den USA geben wird - einen gewählten und einen Schattenpräsidenten? Foto: Evan Vucci/Patrick Semansky, dpa (Archivbilder)

    Joe Biden wird am 20. Januar 2020 der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, das steht mittlerweile fest. Und Donald Trump? Er wird ab dem 20. Januar 2020 der erste Schatten-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Das steht noch nicht fest. Aber es ist wahrscheinlich.

    Die vergangenen Tage geben einen Vorgeschmack, was man sich darunter vorstellen muss. Biden und seine Mitstreiter sollen nun (endlich) Zugang zu wichtigen präsidialen Informationen erhalten, doch Trump raunt unverdrossen von „Betrug“ und will das Wahlergebnis weiterhin nicht anerkennen. Biden ernennt ein außenpolitisches Team, das sich der Welt „zuwenden“ wolle, Trump wiederholt unverzüglich sein Mantra „America First“, an dem ja niemand rütteln solle.

    Die US-Börse rauscht wegen der Aussicht eines raschen Biden-Amtsantritts auf einen Höchststand - Trump stürmt umgehend vor die Journalisten im Weißen Haus und feiert sich für den Rekord.

    USA: Trumps Potenz für Störfeuer bleibt gewaltig

    Soll das ewig so weiter gehen? Müssen wir uns darauf einstellen, dass es nicht einen, sondern zwei Präsidenten in den USA geben wird, einen gewählten und einen abgewählten, der einfach weitermacht? Gewiss, vieles wird Trump bald nicht mehr möglich sein. Vieles, was ihm möglich gewesen wäre, gelingt ihm zudem mangels Kompetenz nicht. Sein juristischer „Staatsstreich“-Versuch nach der Wahl war miserabel vorbereitet.

    Und doch: Trumps Potenz für Störfeuer bleibt gewaltig. Der Mann hat deutlich über 70 Millionen Stimmen erhalten. Eine Mehrheit der Republikaner gibt in Umfragen an, er habe die Wahl ja gewonnen - und rechte TV-Netzwerke werden sich darum reißen, Trump weiter eine Plattform zu bieten, er sorgt schließlich für gigantische Einschaltquoten.

    Vor allem aber: Es spielt für Trump und seine Getreuen kaum eine Rolle, ob ihre Behauptungen zur Wahl-Wahrheit glaubhaft sind. Es geht ihnen darum, die Grenze zwischen Fakt und Fiktion so zu verschieben, dass man gar nichts mehr glauben kann. Bret Stephens, konservativer Kommentator der „New York Times“, vergleicht die aktuellen Trump-Bemühungen gar mit der „Dolchstoßlegende“, die nach dem Ersten Weltkrieg suggerierte, das deutsche Militär sei „im Felde unbesiegt“ geblieben - nur durch Verschwörungen daheim habe Deutschland den Krieg verloren.

    Diese Legende trug dazu bei, die Weimarer Republik zu unterminieren. Nun will Trump den Mythos erschaffen, ihm sei die Präsidentschaft gestohlen worden, um so Biden vom Start weg zu diskreditieren - und den Weg für eine erneute Kandidatur in vier Jahren zu ebnen.

    Biden umgibt sich mit Vertrauten aus der Ära von Barack Obama

    Diese Taktik hat auch Aussicht auf Erfolg, weil Amerika ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem aufweist. Das Militär genoss lange Vertrauen, doch die sündteuren und vergeblichen Kriege im Nahen Osten haben seine Rolle geschwächt. Die Chefs großer Konzerne oder Banken sind spätestens seit der Weltfinanzkrise in ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert. Der Oberste Gerichtshof wird immer stärker als ideologisch zerrissen wahrgenommen. Und die Parteien? Die Spaltung des Landes zu forcieren, gehört mittlerweile zu ihrem politischen Geschäftsmodell.

    Biden umgibt sich nun mit Vertrauten aus der Ära von Barack Obama. Diese werden ganz anders auftreten: Sie schauen hippe Serien, sie lesen Bücher, sie schätzen Wissenschaftler, sie sind in Berlin genauso daheim wie in Peking, sie sind globale Weltbürger.

    Sie sind freilich für viele der Menschen, die für Trump gestimmt haben, die Verkörperung all dessen, was sie vor vier Jahren abgewählt haben. Ob also wirklich alles besser wird in Amerika?

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