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Koalitionsverhandlungen: Sie feilschen um jedes Wort

Koalitionsverhandlungen

Sie feilschen um jedes Wort

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    Angela Merkel erklärt Journalisten, dass es noch dauern wird.
    Angela Merkel erklärt Journalisten, dass es noch dauern wird. Foto: dpa

    Ist es wirklich so schlimm? Thorsten Alsleben, der Hauptgeschäftsführer der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU/CSU, kann der Neuauflage der Koalition von Union und SPD nichts, aber auch überhaupt nichts abgewinnen. „Das ist wie wenn Papa Urlaub in den Bergen machen will und Mama am Meer. Und am Ende fahren alle missmutig zum Baggersee nach Castrop-Rauxel, wo es aber doppelt so teuer ist“, lästert er auf Twitter.

    Damit ist der Vertreter des liberalen Wirtschaftsflügels der Union ausnahmsweise mit den Jusos und den Linken in der SPD einer Meinung. Denn auch die machen aus ihrer Abneigung gegen die Neuauflage der Großen Koalition keinen Hehl. „Mir hat bis heute niemand plausibel erklären können, warum man von einem strikten GroKo-Ablehnungskurs auf einen GroKo-na-vielleicht-doch-Kurs eingeschwenkt ist“, kritisiert Juso-Chef Kevin Kühnert seinen Parteichef Martin Schulz.

    Doch das Aufbegehren der GroKo-Gegner bei den Christ- wie den Sozialdemokraten verhallt an diesem Dienstag ungehört. Bei frostigen Temperaturen, aber strahlendem Sonnenschein kommen die großen Verhandlungsdelegationen der Parteien am 134. Tag nach der Bundestagswahl im Konrad-Adenauer-Haus am Rande des Großen Tiergartens zusammen, um in der zweiten Verlängerung der seit dem 26. Januar laufenden Koalitionsverhandlungen die letzten noch offenen Fragen zu klären – in der Gesundheitspolitik (Stichwort Zwei-Klassen-Medizin) und im Arbeitsrecht (Stichwort sachgrundlose Befristungen). Außerdem geht es um den Zuschnitt und die Verteilung der Ministerien und die endgültige Fassung des Koalitionsvertrags einschließlich einer programmatischen Präambel.

    Am Morgen ist die Stimmung durchwachsen. CDU-Chefin Angela Merkel und ihr SPD-Kollege Martin Schulz verbreiten demonstrative Zuversicht, verhehlen aber die Probleme nicht. „Jeder von uns wird schmerzhafte Kompromisse noch machen müssen“, sagt die Bundeskanzlerin. Sie sei dazu auch bereit, „wenn wir sicherstellen können, dass die Vorteile zum Schluss die Nachteile überwiegen“. Ähnlich formuliert es der SPD-Chef. „Wir haben guten Grund anzunehmen, dass wir heute zu einem Ende kommen werden.“ Er hoffe, dass es ein „gutes Ergebnis“ werde.

    Andere äußern sich hingegen deutlich skeptischer. „Alle sind jetzt gefordert, sich aus ihren Schützengräben rauszubewegen, eingraben geht jetzt nicht mehr“, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Heute müsse „das was werden“, ansonsten könnte sich das wahrscheinlich nicht leicht erklären lassen. „Die Stunde der Wahrheit, die naht.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wagt die Prognose: „Die Nacht wird lang.“

    In der Tat gestalten sich die Verhandlungen mühsam und langwierig. Nur in Millimeterschritten nähern sich die bisherigen und wohl auch künftigen Koalitionäre an, immer wieder müssen die Verhandlungen unterbrochen werden. „Wir feilschen um jedes Wort“, sagt ein Unterhändler am Nachmittag leicht genervt im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es geht kaum voran“. Immer wieder müssen die Verhandlungsführer, die drei Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz, sowie die drei Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, Alexander Dobrindt und Andrea Nahles ran, am Ende landen alle offenen Fragen auf ihrem Tisch.

    Um 16 Uhr treffen sich die Delegationen der einzelnen Parteien zu internen Beratungen, am Abend kommt wieder die große Runde zusammen. Im Laufe des Nachmittags sickern erste Details aus dem Konrad-Adenauer-Haus. So umfasst ein Entwurf des Koalitionsvertrages 167 Seiten, in 14 Kapiteln legen Union und SPD die Ziele ihrer Regierungspolitik fest, das erste Kapitel steht unter dem Motto „Ein neuer Aufbruch für Europa“, das zweite Kapitel hat die Überschrift „Eine neue Dynamik für Deutschland“. Allerdings fehlen zu diesem Zeitpunkt noch die Präambel sowie das komplette zweite Kapitel. Diese Texte werden zuletzt geschrieben. Und das dauert.

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