Sogar Vizekanzler Olaf Scholz, der nicht nur in Sachen Corona-Pandemie die Bazooka rausholt, sondern auch verbal gerne mal scharf schießt, verhielt sich brav. So viel Frieden war bei einem Koalitionsausschuss schon länger nicht mehr. Schon gar nicht bei einem Koalitionstreffen in einem Superwahljahr, bei dem der Kampf um Stimmen üblicherweise die guten Manieren in den Hintergrund rücken lässt. Das Treffen der Spitzen von Union und SPD am Mittwochabend jedenfalls war, so berichten Teilnehmer übereinstimmend, eine harmonische Veranstaltung. Wie kam es dazu?
Dicke Luft gab es nämlich tatsächlich nicht, denn die Runde traf sich unter der Leitung im internationalen Konferenzsaal des Kanzleramtes. Der ist deutlich größer als der Kabinettssaal, in dem die Koalitionsgipfel üblicherweise stattfinden, lässt also coronakonforme Abstände zu. Außerdem, so erklärte Kanzleramtschef Helge Braun den erstaunten Teilnehmern, kann die Luft dort bis zu acht Mal in der Stunde umgewälzt werden.
Kanzlerin Angela Merkel und die Koalitionspartner beschließen Corona-Hilfen
Union und SPD brachten neue Corona-Hilfen auf den Weg, die zusammen ungefähr zehn Milliarden Euro kosten. Das Geld kann ohne Nachtragshaushalt gestemmt werden, denn in den Bundeshaushalt 2021 sind 35 Milliarden Euro als Corona-Vorsorge ohne konkrete Ausgabenplanung eingestellt worden. Um des lieben Friedens willen gaben beide Seiten zudem ein bisschen nach. Die SPD etwa hätte sich einen höheren Kinderbonus gewünscht. Die Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken wollten 200 Euro, sie bekamen 150.
Dafür ließ die Union beim steuerlichen Verlustvortrag mit sich reden. Er wird für 2020 und 2021 angehoben, CDU und CSU hätten 2019 auch noch gerne einbezogen. Unions-Fraktionsvize Andreas Jung sprach gleichwohl von einem wichtigen Schritt. „Das verschafft zielgenau Betrieben Liquidität, die vor der Krise hohe Steuern bezahlt haben“, sagte der CDU-Politiker.
Angela Merkel und die Koalitionspartner treffen sich: Wie macht sich Armin Laschet?
Neben den weiteren Corona-Hilfen und einem Bekenntnis zur Eurodrohne ging es vor allem um die Frage: Wie macht sich Armin Laschet? Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nahm erstmals in seiner neuen Rolle als CDU-Vorsitzender am Koalitionsausschuss teil. Die füllte der 59-Jährige sofort ganz aus, er habe seinen Führungsanspruch deutlich gemacht, sich aber nicht in den Vordergrund gedrängelt, hieß es. Als Laschet zur üblichen Vorbesprechung von CDU und CSU zwar pünktlich, aber als letzter kam, war der ihm gebührende Stuhl gegenüber der Kanzlerin für ihn freigehalten worden. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, er kam dem Vernehmen nach als erster, machte dem Aachener seinen Platz nicht streitig.
Laschet, der Besuchern seiner Staatskanzlei gerne auch mal ein Exemplar des Vertrags von Aachen in die Hand drückt, hatte blau eingebundene Bücher mit sämtlichen Gedichten von Heinrich Heine dabei. Sein Einstiegsgeschenk habe ein gutes Echo und viel Interesse bei allen Teilnehmern gefunden, verlautete aus der Runde. Esken kommentierte das Geschenk dem Vernehmen nach mit den Worten, sie freue sich über einen Autor, der aus ihrer Heimat stamme.
Aber solche Irrungen – Heine wurde in Düsseldorf geboren, Esken ist Stuttgarterin – fallen nichts ins Gewicht, wenn der Harmonie-Pegel so hoch ist, dass alle glücklich sind. Als SPD-Kanzlerkandidat Scholz von den Digitalisierungs-Fortschritten in seiner früheren Heimat Hamburg schwärmte, konterte Söder liebevoll, er finde Hamburg auch gut, seine Umfragewerte seien selbst dort besser als die von Scholz.
Bei Regierungsgipfel: Olaf Scholz greift Ursula von der Leyen an
Wie lange der Frieden hält, steht indes auf einem anderen Blatt. Einen Vorgeschmack auf kommende Wahlkampfzeiten lieferte Finanzminister Scholz, der Berichten zufolge angesichts schleppender Impflieferungen beim letzten Corona-Kabinett unflätig wurde und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von Leyen in Abwesenheit hart anging.
Womöglich blieb der Koalitionsausschuss deshalb im Kuschelmodus, weil das Thema Lockdown ausgespart wurde. Ob es Lockerungen von den strengen Corona-Auflagen geben kann, und wenn ja, wann – das wollen die Koalitionäre lieber den Bund-Länderberatungen am 10. Februar überlassen. Eigentlich wäre es Aufgabe der Regierungsparteien, hier klar Kante zu zeigen. Aber die sind sich dem Vernehmen nach selbst intern noch nicht einig, wollen Streit deswegen vermeiden und lieber noch ein bisschen kuscheln.
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