Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Koalitionsausschuss: Die Große Koalition verlängert die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes

Koalitionsausschuss

Die Große Koalition verlängert die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes

    • |
    Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die beiden Bundesvorsitzenden der SPD, geben vor dem Koalitionsausschuss am Bundeskanzleramt ein Pressestatement.
    Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die beiden Bundesvorsitzenden der SPD, geben vor dem Koalitionsausschuss am Bundeskanzleramt ein Pressestatement. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es standen zwar Obsttörtchen auf dem Verhandlungstisch des Kanzleramtes, aber die Süßigkeiten sorgten nicht für eine aufgelockerte Stimmung. Ganz im Gegenteil: Verbissen rangen die Spitzen von Union und SPD unter der Leitung von Kanzlerin Angela Merkel bis kurz vor Mitternacht um Perspektiven für die weitere Regierungsarbeit. Beide Seiten einigten sich darauf, wesentliche Instrumente zur Abfederung der wirtschaftlichen Corona-Folgen zu verlängern. Das Kurzarbeitergeld etwa wird bis Ende 2021 unter bestimmten Bedingungen weitergezahlt. Ein weiteres wichtiges Thema, die Reform des Bundestagswahlrechts, sorgte für ausufernde Diskussionen und am Ende langte es nur für einen Kompromiss: Zur Bundestagswahl im September kommenden Jahres soll eine Zwischenlösung her. Eine echte Reform ist erst für 2025 geplant.

    Mitten in der Corona-Pandemie ist die Verlängerung beim Kurzarbeitergeld eine wichtige Nachricht für Millionen Betroffene. Die Koalitionsspitzen hatten sich vor ihrem Treffen bereits grundsätzlich auf eine Verlängerung der Höchstbezugsdauer des Kurzarbeitergeldes geeinigt. Die SPD plädierte für eine Verlängerung um zwölf Monate. Das Corona-Kurzarbeitergeld hätte damit bis März 2022 ausbezahlt werden können. Die Unionsfraktion wollte die Auszahlung aber Ende des Jahres 2021 auslaufen lassen und setzte sich damit durch. Auch die geltenden Sonderregelungen über den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld gelten bis dahin weiter. Die Sozialversicherungsbeiträge werden bis 30. Juni 2021 vollständig erstattet. Danach und längstens bis Ende 2021 werden für alle Betriebe, die bis Ende Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt haben, die Beiträge zur Sozialversicherung noch zur Hälfte erstattet. Erfolgt während der Kurzarbeit eine Qualifizierung der Mitarbeiter, kann diese Erstattung auf 100 Prozent erhöht werden.

    Laut Finanzministerium haben in der Corona-Krise mehr 700.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet

    Bereits Mitte März hatte die Bundesregierung den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtert, am 22. April einigte sich der Koalitionsausschuss auf eine Erhöhung. Die Arbeitsagentur ersetzt Betroffenen einen Teil des weggefallenen Nettoeinkommens: Zunächst sind es bei kinderlosen Beschäftigten 60 Prozent und bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Ab dem vierten Monat steigt der Anteil auf 70 beziehungsweise 77 Prozent, ab dem siebten Monat auf 80 oder 87 Prozent. Auch diese Regelung wurde bis Ende 2021 verlängert. Ziel ist es, Kündigungen in Folge der Coronakrise zu vermeiden. Laut Bundesfinanzministerium haben bereits mehr 700.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet.

    Wichtig für kleine und mittelständische Betriebe: Das Überbrückungshilfen-Programm wird bis Ende dieses Jahres fortgesetzt. Künstler, Soloselbständige und Kleinunternehmen können sich darüber freuen, dass der erleichterte Zugang in die Grundsicherungssysteme ebenfalls bis Ende 2020 ausgedehnt wird. Für gesetzlich Krankenversicherte wird in diesem Jahr das Kinderkrankengeld für jeweils fünf weitere Tage gewährt, bei Alleinerziehenden für weitere zehn Tage.

    Noch schwieriger als die Debatte über das Kurzarbeitergeld gestaltete sich die Diskussion über ein neues Wahlrecht. Die Stimmung war aufgeheizt, nachdem sich CSU-Chef Markus Söder und der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans unmittelbar vor dem Koalitionstreffen gegenseitig Taktiererei vorgeworfen hatten. Als Söder, Walter-Borjans, die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dann gegen Mitternacht vor die Presse traten, war die Erleichterung groß, dass es zumindest für einen Kompromiss gereicht hat.

    Wahlrechtsreform: Der Bundestag soll nicht noch größer werden als er ohnehin schon ist

    Zur Bundestagswahl im September 2021 soll eine "Dämpfungsmaßnahme" wirken, wie Kramp-Karrenbauer es ausdrückte. Die Zahl der Wahlkreise bleibt bei 299 erhalten. Damit der Bundestag aber nicht noch größer wird, soll es eine "teilweise Verrechnung von Überhang- mit Listenmandaten der gleichen Partei" geben, wie es im Abschlusspapier heißt. Sollte die Regelgröße des Parlaments von 598 Mandaten überschritten werden, werden bis zu drei Überhangmandate nicht ausgeglichen.

    Zur Bundestagswahl 2025 soll es dann nur noch 280 Wahlkreise geben. Union und SPD wollen unter Einbeziehung der anderen Bundestagsfraktionen eine Reformkommission einsetzen, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt werden kann. Sie soll auch prüfen, ob es eine verfassungsfeste Möglichkeit gibt, einen gleichen Anteil von Frauen und Männern im Bundestag zu erreichen. Die Ergebnisse sollen spätestens Mitte 2023 vorliegen.

    CSU-Chef Söder sprach beim Wahlrecht von einem "fairen Kompromiss". Am Ende stehe das Bemühen, einen effektiven Bundestag zu haben, der gleichzeitig nicht ins Uferlose wachse. Söder räumte aber auch ein, dass die Verhandlungen schwierig waren. "Das war am Anfang mehr Bumms und weniger Wumms", sagte Söder in Anspielung auf einen Tweet von Esken und Walter-Borjans, die bei der Nominierung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten kürzlich geschrieben hatten: "Olaf hat den Kanzler-Wumms."

    Ministerpräsident Markus Söder bei seiner Ankunft zur Vorbesprechung der Union für den Koalitionsausschuss.
    Ministerpräsident Markus Söder bei seiner Ankunft zur Vorbesprechung der Union für den Koalitionsausschuss. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Union wollte die Wahlkreise reduzieren, SPD die Größe des Bundestages deckeln

    Die Union hatte vor dem Treffen für eine Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280 plädiert. Die SPD hingegen wollte bei 299 Wahlkreisen bleiben und die Größe des Parlaments bei maximal 690 Sitzen deckeln. Der nun gefundene Kompromiss liegt offenbar irgendwo in der Mitte.

    Schon jetzt platzt der Bundestag aus allen Nähten. Eigentlich sollen im Parlament nur 598 Abgeordnete sitzen. Vor der Bundestagswahl 2017 waren es aber schon 630 Parlamentarier, aktuell müssen 709 Abgeordnete und ihre Ansprüche aus der Staatskasse finanziert werden. Deutschland hat damit eines der größten Parlamente weltweit, die Kosten sind gigantisch: Für 2019 waren rund 974 Millionen Euro veranschlagt, 100 Millionen mehr als ursprünglich eingeplant. Für das laufende Jahr sind  Ausgaben von etwas mehr als einer Milliarde Euro vorgesehen. Im Vergleich zu 2016 bedeutet das einen Anstieg von knapp einem Drittel. Der Parlamentsbetrieb könnte kollabieren, wenn sich im September nächsten Jahres noch mehr Abgeordnete um Plätze, Büros und Redezeiten drängeln. Abhängig vom Wahlausgang sind 800 Sitze und mehr denkbar.

    Neu war eine weitere Corona-Sofortmaßnahme: Die Koalition legt ein auf 2020 und 2021 befristetes Förderprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro auf, um die "Corona-gerechte Umrüstung" von Klimaanlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten zu finanzieren.

    • Unsere Kommentar zum Kurzarbeitergeld: Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes ist überflüssig
    • Unsere Kommentar zur Wahlrechtsreform: Erst mal nur eine Zwischenlösung: Die Qual der Wahlrechtsreform

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden