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Koalition: Wie lange hält Merkel noch durch?

Koalition

Wie lange hält Merkel noch durch?

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    Eine schwere Woche für Merkel: Die eigene Schwesterpartei fragt sich, ob es einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik womöglich nur mit einer neuen Kanzlerin gibt. 
    Eine schwere Woche für Merkel: Die eigene Schwesterpartei fragt sich, ob es einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik womöglich nur mit einer neuen Kanzlerin gibt.  Foto: Michael Kappeler, dpa

    Gerhard Schröder wusste, wovon er sprach. „Im Grunde ist man sehr allein in dem Amt“, sagte ihr Vorgänger, als er schon nicht mehr Kanzler war. Angela Merkel dürfte sich im Moment ähnlich fühlen. Die CSU auf den Barrikaden, die Umfragewerte auf Talfahrt, die europäischen Partner auf Tauchstation – und dann wabern da plötzlich zwei R-Worte durchs Regierungsviertel, die auch eine Großmeisterin der Gelassenheit wie sie alarmieren müssen. R wie Regierungskrise. Ja, mehr noch: R wie Rücktritt.

    Den fordert bisher zwar nur der Landrat des Landkreises Augsburg. Am Ende einer Woche jedoch, wie sie sie in zehn Kanzlerinnenjahren vermutlich noch nicht erlebt hat, ist genau das passiert, was Angela Merkel vermeiden wollte: Die CSU hat eine politische Sachfrage, den Umgang mit der Flüchtlingskrise, mit einer sehr persönlichen Frage verknüpft: „Wir wollen mit dir eine Lösung“, hat Horst Seehofer zu ihr gesagt – und dann hintersinnig hinzugefügt: „Die Betonung liegt aber auf: Wir wollen eine Lösung.“ Im Umkehrschluss hieße das: Notfalls eben auch ohne dich. Ein Landtagsabgeordneter formuliert es in Kreuth noch drastischer: „Wenn es nicht in absehbarer Zeit eine andere Flüchtlingspolitik gibt, dann gibt es bald eine andere Kanzlerin.“

    Flüchtlingskrise ist ein Konflikt für Merkel, den sie persönlich nur verlieren kann

    So weit wird es so schnell kaum kommen, weil zu einem Sturz nicht nur einer gehört, der gestürzt wird, sondern auch einer, der den Mut, das intrigante Potenzial und ein hinreichend großes Heer an Unterstützern hat, um den Aufstand anzuzetteln. Die Sorge, wie es weitergehen soll in Deutschland, in der Union und damit auch in der Großen Koalition, reicht inzwischen jedoch bis weit in die Sozialdemokratie hinein, die mit dem Kurs der Kanzlerin bisher weniger Probleme hatte als die CSU und große Teile der CDU.

    Ein Mann mit Einfluss in der SPD vergleicht Angela Merkels Lage mit den zu Ende gehenden Amtszeiten von Gerhard Schröder und Helmut Schmidt. Beide, sagt er, hätten in diesen Phasen offen gegen die eigene Partei agiert, Schmidt mit seinem beherzten Eintreten für eine weitere Aufrüstung der Nato im Kalten Krieg, Schröder mit seinen umstrittenen Sozialreformen. „Wir in der

    Vermutlich ist es kein Zufall, dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU fast zeitgleich von einer Regierungskrise sprechen, der eine von einer drohenden, der andere von einer bereits bestehenden. Einer von Angela Merkels Ministern sagt, die Dinge liefen allmählich „aus dem Ruder“ – und auch Seehofer, dessen Partei der Kanzlerin die Ultimaten inzwischen im Tagestakt stellt, sieht die Koalition in einer „ernsten Lage“. Nur sie selbst, so scheint es, will das nicht wahrhaben, zumindest nicht öffentlich. „Die Bundesregierung ist voll funktionsfähig“, lässt die Kanzlerin eine Regierungssprecherin am Freitag ausrichten. Ihr persönliches Verhältnis zu Seehofer ist danach ebenfalls weit weniger ramponiert, als der CSU-Chef behauptet: „Von einer Vertrauensstörung kann ich vonseiten der Bundeskanzlerin nicht berichten.“

    Hat Merkel den berühmten Plan B?

    Sogar notorische Merkel-Kritiker wie der Wirtschaftsexperte Michael Fuchs nehmen ihre Parteivorsitzende in Schutz, als säßen die gefährlichsten Gegner nicht in der Opposition oder bei der Alternative für Deutschland, sondern in der Schwesterpartei: „Angela Merkel macht nach wie vor einen sehr guten Job, sie hat nach wie vor die Sache im Wesentlichen im Griff.“ Wohlgemerkt: Im Wesentlichen. Diese kleine Einschränkung kann Fuchs sich dann doch nicht verkneifen.

    Ob sie den berühmten Plan B schon hat, falls Europa sich nicht auf eine fairere Verteilung der Flüchtlinge einigen kann: Wenn überhaupt, dann deutet die Kanzlerin nur in Halbsätzen an, dass sie irgendwann vielleicht doch die Grenzen schließen muss, weil es anders nicht mehr geht. Mit den deutsch-türkischen Konsultationen, dem EU-Gipfel im Februar und der internationalen Geberkonferenz in London habe sie jetzt drei wichtige Treffen vor sich, hat sie in Kreuth gesagt. „Danach können wir eine Zwischenbilanz ziehen, dann eine weitere Zwischenbilanz und dann sehen, wo wir stehen.“ Ist das, womöglich, schon die Andeutung eines Kurswechsels? Es wäre nicht das erste Mal, dass Angela Merkel eine wichtige Botschaft so gut versteckt, dass sie gar niemand bemerkt.

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