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Koalition: Union und Grüne sondieren die Lage

Koalition

Union und Grüne sondieren die Lage

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    Anton Hofreiter von den Grünen sieht den Kern der grünen Politik im Klimaschutz.
    Anton Hofreiter von den Grünen sieht den Kern der grünen Politik im Klimaschutz. Foto: Maurizio Gambarini

    Anton Hofreiter ist Biologe von Beruf und auch sonst ein naturverbundener Mensch. „Es geht darum, dass unsere Ökosysteme stabil bleiben“, sagt der neue Fraktionsvorsitzende, ehe er ein wenig ausholt und auf das zu sprechen kommt, was er den „naturwissenschaftlichen Kern“ grüner Politik nennt, den Klimaschutz und den Kampf gegen das Kohlendioxid.

    Hofreiter selbst besitzt kein Auto. Und wenn er einmal eines brauche, erzählt der 43-Jährige, leihe er sich den VW Golf seines Vaters. „Den kann man sehr sparsam fahren.“

    Latte für schwarz-grünes Bündnis liegt hoch

    Berlin, Bundespressekonferenz: Einen Tag vor dem Sondierungsgespräch mit der Union sitzt die neue Fraktionsspitze der Grünen vor den Hauptstadtjournalisten und legt die Latte für ein schwarz-grünes Bündnis wieder etwas höher, als sie zuletzt zu liegen schien. „Im Moment bin ich sehr, sehr skeptisch“, sagt Hofreiter, der die Ökologie für eines der wichtigsten Themen heute hält.

    Sondierungsgespräche: Wer mit wem?

    SCHWARZ-ROT: Bei der Suche nach einem Koalitionspartner ist die SPD für die Wahlsieger von CDU und CSU erste Wahl. Die Schnittmengen wären bei einer großen Koalition am größten. Ein Risikofaktor ist aber die SPD-Basis, in der es große Vorbehalte gegen eine große Koalition gibt. Die SPD-Mitglieder müssen am Ende Ja zu einem Koalitionsvertrag sagen.

    SCHWARZ-GRÜN: Für die Union ist das die zweitbeste Lösung. Auch die Grünen halten nicht viel davon. Trotzdem soll es in der nächsten Woche ernsthafte Gespräche darüber geben. Die dürften aber nur dann eine realistische Erfolgschance haben, wenn es zwischen SPD und Union ganz erheblich hakt.

    ROT-ROT-GRÜN: SPD, Grüne und Linke haben zusammen eine Mehrheit im Bundestag. Die Linke hat deswegen Sondierungsgespräche auch über eine rot-rot-grüne Koalition gefordert. Bei den Grünen gibt es gewisse Sympathien dafür. Die SPD hat solche Gespräche aber schon vor der Wahl strikt ausgeschlossen - und bereut das inzwischen ein wenig. Bei der nächsten Wahl soll es keine «Ausschließeritis» mehr geben.

    MINDERHEITSREGIERUNG: Der Union fehlen mindestens fünf, möglicherweise sechs Stimmen zu einer absoluten Mehrheit im Bundestag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte daher auch eine Minderheitsregierung bilden und sich dann für jede Einzelentscheidung wechselnde Bündnispartner suchen. Das hat es auf Bundesebene aber in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum noch nicht gegeben und gilt auch jetzt als nahezu ausgeschlossen.

    NEUWAHL: Wenn gar nichts geht, wird neu gewählt. Auch das hat es nach einer Wahl noch nie gegeben. Dem Wähler wäre nur schwer zu erklären, warum er noch einmal zu Urne schreiten soll. Und auch dem Ansehen Deutschlands im Ausland wäre eine lange Hängepartie bei der Regierungsbildung nicht gerade zuträglich.

    Auch Katrin Göring-Eckardt, seine Mitvorsitzende, macht nicht den Eindruck, als wolle sie Angela Merkel eine Große Koalition um jeden Preis ausreden. Ihr ist vor allem die harte Haltung von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der Asylpolitik ein Dorn im Auge. Eine ernsthafte Zusammenarbeit, warnt sie, könne es nur geben, „wenn sich diese Position definitiv ändert“.

    Vier Themen: Hier liegen Konservative und Grüne auseinander

    - Energie

    CDU und CSU wollen die hohe Förderung der erneuerbaren Energien auf den Prüfstand stellen und Vergütungen auch nicht mehr für 20 Jahre garantieren. Die Grünen pochen auf einen kräftigen Ausbau der Erneuerbaren und wollen bei ihrem „Aufbruch für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ auch die Rabatte für die Wirtschaft kräftig kürzen. Außerdem würde Hofreiter die Automobilindustrie gerne mit strengeren Grenzwerten für den Ausstoß von Schadstoffen zum Umsteuern zwingen.

    - Inneres

    Mit dem Flüchtlingsdrama vor der italienischen Insel Lampedusa ist unversehens noch ein höchst emotionales Thema auf die Tagesordnung der Sondierungsrunde gerutscht. Dass Friedrich das Einwanderungsrecht nicht lockern will, facht bei den Grünen die Skepsis gegenüber einem schwarz-grünen Bündnis noch an. Sie bestehen darauf, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnimmt. Die Rhetorik des vollen Bootes, warnt Fraktionschefin Göring-Eckardt, „können und wollen wir nicht akzeptieren“. Es müsse in Europa möglich sein, ein anständiges Asylverfahren zu bekommen, „ohne dass man zuvor sein Leben riskieren muss“.

    - Steuern

    Eine befristete Vermögensabgabe zum Schuldenabbau wird mit der Union genauso wenig zu machen sein wie das von den Grünen propagierte Ende des Ehegattensplittings. Trotz der bitteren Niederlage bei der Bundestagswahl hat die Partei ihre umstrittenen Steuerpläne für Gut- und Besserverdiener noch nicht ganz aufgegeben. Auch im Wahlprogramm der Union, stichelt die Fraktionsvorsitzende nun, stünden eine Menge Vorschläge, für die es keine Gegenfinanzierung gebe. Wie die SPD allerdings sieht auch sie jetzt erst einmal die Union am Zug: „Ich bin sehr gespannt auf andere Finanzierungsvorschläge.“

    - Familie

    Das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld lehnen die Grünen strikt ab. Für die Union ist es praktisch unverhandelbar. Sie kann sich nach Auskunft eines Regierungsmitgliedes als Kompensationsgeschäft allenfalls ein neues Programm zum weiteren Ausbau der Kinderbetreuung vorstellen.

    Klimaschutz als zentraler Punkt

    In die Karten blicken lassen sich die Fraktionsvorsitzenden der Grünen so wenig wie Angela Merkel und Horst Seehofer. „Ich werde jetzt nicht sagen, was die roten Linien sind“, wehrt Hofreiter ab. Als zentrale Punkte, an denen die Union sich weit auf sie zubewegen müsste, nennt Katrin Göring-Eckardt den Klimaschutz und das weite Feld der „offenen Gesellschaft“, zu dem sie nicht nur eine neue Asylpolitik und ein liberaleres Staatsbürgerschaftsrecht zählt, sondern auch einen Verzicht auf das umstrittene Speichern von Telefon- und Internetverbindungen.

    Den Vorwurf, die Grünen seien noch so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht ans Regieren denken dürften, lässt sie nicht gelten: „Natürlich sind wir bereit und in der Lage, Regierungsverantwortung zu übernehmen.“ Mitregieren? In der Opposition bleiben? Auch wenn noch nichts entschieden ist – auf den Golf seines Vaters kann Anton Hofreiter in jedem Fall verzichten. Als Fraktionschef hat er Anspruch auf einen Dienstwagen.

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