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Koalition: Die Baustellen der Kanzlerin

Koalition

Die Baustellen der Kanzlerin

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    Neben den thematischen Spannungen gab es in den letzten Wochen durchaus auch persönliche Dissonanzen. Zuletzt musste Norbert Röttgen nach seinem Wahldebakel den Posten des Bundesumweltministers abgeben. Aber auch mit dem Junior-Partner CSU hat die Kanzlerin immer wieder Schwierigkeiten.
    Neben den thematischen Spannungen gab es in den letzten Wochen durchaus auch persönliche Dissonanzen. Zuletzt musste Norbert Röttgen nach seinem Wahldebakel den Posten des Bundesumweltministers abgeben. Aber auch mit dem Junior-Partner CSU hat die Kanzlerin immer wieder Schwierigkeiten. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Sechs Wochen vor der Sommerpause drückt die Kanzlerin aufs Tempo. Dem Vernehmen nach will sich Angela Merkel nach ihrer Rückkehr aus den USA möglichst rasch mit den anderen Parteivorsitzenden der Koalition, Horst Seehofer und Philipp Rösler, treffen. Zu klären gibt es eine Menge: Bei einer Reihe von Reformen und Projekten kommen Union und FDP, wenn überhaupt, nur mühsam voran.

    Betreuungsgeld Im Prinzip ist alles klar. Eltern, die ihr Kind nicht nach einem Jahr in die Krippe geben, sollen vom nächsten Jahr an 100 Euro im Monat und ein Jahr später sogar 150 Euro erhalten. So steht es im Koalitionsvertrag – und so will es CSU-Chef Seehofer. Bei den Liberalen und in der CDU hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die 1,2 Milliarden Euro pro Jahr, finden viele Abgeordnete dort, wären im Ausbau von Kindertagesstätten besser angelegt.

    Schließlich haben Bund, Länder und Gemeinden große Probleme, den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zu erfüllen. Um die Kritiker milder zu stimmen, plant die Kanzlerin nun offenbar ein Kompensationsgeschäft: Parallel zur Einführung des Betreuungsgeldes soll noch einmal frisches Geld in den Kita-Ausbau fließen. Sozialministerin Ursula von der Leyen will die Prämie darüber hinaus regelmäßig überprüfen lassen: „Die Frage ist, ob es Eltern gibt, die wegen des Betreuungsgelds auf einen Kitaplatz verzichten und auch keine anderen Spielmöglichkeiten für ihre ein- oder zweijährigen Kinder suchen.“

    Knackpunkt Vorratsdatenspeicherung

    Vorratsdaten Der Dauerbrenner. Bei kaum einem Thema liegen Union und FDP so weit auseinander wie beim Umgang mit Telefon-, Internet- und Handydaten. CDU und CSU wollen jede Verbindung sechs Monate lang speichern – um im Falle eines Falles den Hintermännern von schweren Verbrechen schneller auf die Spur zu kommen. Die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die als Abgeordnete eine ähnliche Regelung vor dem Verfassungsgericht mit zu Fall gebracht hatte, will Daten dagegen nur bei einem begründeten Verdacht vorübergehend einfrieren. Obwohl die EU-Kommission der Bundesregierung bereits mit einem Verfahren und einer Vertragsstrafe droht, hat dies den Einigungsdruck bislang nicht erhöht. Im Gegenteil. Innenminister Hans-Peter Friedrich will über Speicherfristen und andere Details nur mit sich reden lassen, wenn auch die EU-Kommission ihre Richtlinien entsprechend ändert.

    Steuerprogression Die Koalition steht im Wort – und kann es womöglich nicht halten. Mit einer Erhöhung des Grundfreibetrages und einem entschärften Tarifverlauf wollen Union und FDP die Folgen der „kalten Progression“ mildern, die dafür sorgt, dass sich der Fiskus von jeder Lohn- oder Gehaltserhöhung einen größeren Teil abzwackt. Im Bundesrat ist diese „kleine Steuerreform“ bereits gescheitert. Ob es im Vermittlungsverfahren mit den Ländern noch eine Einigung gibt oder die Koalition stattdessen den Solidaritätszuschlag senkt, ist völlig offen. Insgesamt geht es um sechs Milliarden Euro, um die vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlastet werden sollen.

    Mit dem Thema Mindestlohn der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen

    Mindestlohn Hier denkt die Kanzlerin vor allem strategisch. Wenn es der Koalition gelingt, das grassierende Lohndumping durch weitere Mindestlöhne für betroffene Branchen zu stoppen, hätte die Opposition im Bundestagswahlkampf deutlich weniger Argumente für ihre Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Bisher allerdings sperrt sich die FDP noch gegen den „Mindestlohn light“ der Union, wenn auch nicht ganz so kategorisch wie im Streit um die Vorratsdaten.

    Energiewende Mit dem Rauswurf von Umweltminister Norbert Röttgen hat Angela Merkel in der Sache selbst noch nichts gewonnen. Der Streit um die Solarenergie schwelt weiter, der Netzausbau kommt nicht voran, bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll gibt es weiterhin keinen Konsens: Vor dem Energiegipfel mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch sind weit mehr Fragen offen als beantwortet, was auch an den widerstreitenden Interessen innerhalb der Regierung lag bzw. liegt. Röttgen dachte eher grün, Rösler dagegen denkt als Wirtschaftsminister eher ökonomisch. Er würde für den Ausbau von Stromtrassen auch den Naturschutz etwas lockern.

    Einigung beim Fiskalpakt schwierig

    Fiskalpakt Nach dem Sieg von François Hollande in Frankreich treibt auch die SPD den Preis für Angela Merkels Euro-Politik in die Höhe. Dem Fiskalpakt mit der europäischen Schuldenbremse will sie nur zustimmen, wenn EU-Europa parallel dazu ein Wachstumspaket mit neuen Beschäftigungsprogrammen und einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte schnürt. Da sie in Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Fiskalpakt braucht, wird die Koalition der Opposition entgegenkommen müssen. Gleichzeitig aber weiß Schwarz-Gelb selbst noch nicht, was es wollen soll. Seehofer, zum Beispiel, fordert wie die SPD die Einführung einer Transaktionssteuer auf Börsengeschäfte – die FDP ist strikt dagegen. AZ

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