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Klima: Klimastreik: Wie Fridays For Future um ein Comeback in der Corona-Krise kämpft

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Klimastreik: Wie Fridays For Future um ein Comeback in der Corona-Krise kämpft

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    Als Fridays for Future mit ihrer Gründerin Greta Thunberg (vorne rechts) Mitte August in Berlin bei Kanzlerin Merkel war, nahm die Öffentlichkeit wenig Notiz davon.
    Als Fridays for Future mit ihrer Gründerin Greta Thunberg (vorne rechts) Mitte August in Berlin bei Kanzlerin Merkel war, nahm die Öffentlichkeit wenig Notiz davon. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Vor einem Jahr hätte das Treffen noch zu einem internationalen Medienereignis getaugt. Doch als Greta Thunberg im August Angela Merkel im Bundeskanzleramt besuchte, schaffte es das Gespräch gerade noch als Randmeldung in die von der Corona-Pandemie beherrschten Nachrichten. Und als die 17-jährige Schwedin im Schneidersitz vor dem Brandenburger Tor mit ihrem berühmten „Schulstreik für das Klima“-Schild in den Händen und Schutzmaske im Gesicht demonstrierte, wirkten die Klimaaktivisten nicht nur wegen des Sicherheitsabstands etwas verloren.

    „Die Corona-Krise hat Fridays for Future und ihr Anliegen zur Seite gepustet“, sagt der Jugend- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld. Die Pandemie habe der Bewegung ihre wichtigsten Grundpfeiler geraubt: große Demonstrationen und die Strategie des zivilen Ungehorsams. „Was bringen Schulstreiks, wenn die Schule für alle Schüler ausfällt?“, bringt Hurrelmann das Dilemma der Jugend auf den Punkt.

    Aktionen nur unter strengen Hygieneauflagen

    Annika Kruse, 18, zählt zu den Mitbegründern von Fridays for Future in Deutschland und verbringt die meiste Zeit im „Klimacamp“ in Hamburg. „Wenn sich das Leben auf einen Schlag ändert, ist es klar, dass der Fokus auf anderen Problemen liegt“, sagt sie. „Aber deswegen haben wir unser Potenzial nicht verloren“, ist sich die Politikstudentin sicher.

    In dem Protestcamp am Hamburger Gänsemarkt hält Kruse mit ihren Mitstreitern seit Mitte August eine Art Mahnwache für das Klima. Zwischen Isomatten, Campingstühlen und Chipstüten liegen Plakate mit Sprüchen wie „Wir werden bleiben, bis ihr handelt“. Mit der Aktion kämpft die Ortsgruppe Hamburg dagegen an, dass die Klimaproblematik in der Pandemie in Vergessenheit gerät. Auch anderswo in Deutschland gehen Klimaschützer in einigen Städten schon seit Mai wieder demonstrieren. Allerdings mit viel weniger Teilnehmern, unter strengen Hygieneauflagen und ohne bundesweites Medienecho.

    Klimastreik am 25. September 2020

    Doch Fridays for Future will sich zurückkämpfen: Am 25. September hat die Bewegung zu einem globalen Klimastreik aufgerufen. Weit über 200 Orte hätten sich inzwischen für Aktionen angemeldet, sagt Student Nick Heubeck, der die Aktion für Deutschland mitorganisiert. Wird den jungen Aktivisten trotz Corona-Krise ein Comeback gelingen? Der Politologe Wolfgang Kraushaar, der zu zahlreichen Bewegungen geforscht hat, ist skeptisch.

    Dass Fridays for Future noch einmal auf die Größe und die öffentliche Reichweite wie vor einem Jahr kommt, hält er angesichts der anhaltenden Corona-Krise „nicht nur für unwahrscheinlich, sondern für fast ausgeschlossen“. Denn die Pandemie habe in der öffentlichen Wahrnehmung mehr „Drohpotenzial“ und wirke sich auf die Menschen unmittelbarer aus als die Klimakrise. „Trotzdem ist da natürlich eine große Selbsttäuschung im Spiel, weil die Klimakrise letztendlich sehr viel schädlicher sein wird als die Corona-Pandemie“, sagt Politikwissenschaftler Kraushaar.

    Auch der Klimademo-Organisator Heubeck macht sich keine Illusionen, dass Größenordnungen wie vor einem Jahr für Fridays for Future noch möglich sind. „Wir freuen uns, wieder zurückzukommen, aber alles unter Vorbehalt“, sagt der 22-Jährige. Es gehe nicht nur um eine möglichst große Teilnehmerzahl; es gehe vor allem darum, das Thema groß zu machen, betont er. „Das Klima beschäftigt nach wie vor viele Leute – auch während Corona“, sagt Heubeck.

    Aufmerksamkeit allein reicht nicht für Fridays for Future

    Außerdem sei Aufmerksamkeit allein nicht alles: „2019 waren über eine Million Menschen auf der Straße und trotzdem wurde ein katastrophales Klimapaket verabschiedet“, sagt der Klimademo-Organisator. Für Fridays for Future soll deshalb der Fokus auf der Umsetzung der Ziele liegen.

    Jugendforscher Hurrelmann erwartet ebenfalls nicht, dass die Corona-Krise die Klimafragen völlig in den Hintergrund drängt. „Das eine ist eine kurzfristige, das andere ist eine Dauerkrise“, sagt er. Dennoch schränke Corona die Aktivisten massiv ein: „Es wird nicht mehr möglich sein, mit der gleichen Kühnheit wie zuvor auf die Straßen zu gehen“, sagt der Soziologe.

    Alternativen zu klassischen Demonstrationen, wie der Versuch eines digitalen Klimastreiks Mitte April, sehen die Aktivisten jedoch mit gemischten Gefühlen: „Wir haben viel gelernt, aber auch negative Erfahrungen damit gemacht“, sagt Mitorganisator Heubeck. „Demonstrationen sind unser stärkstes Druckmittel“, betont auch die Hamburger Studentin Kruse. „Früher oder später müssen wir wieder auf die Masse setzen.“ Die 18-Jährige zählt auf die gefestigten Strukturen innerhalb der Bewegung und den immer noch vorhandenen gesellschaftlichen Rückhalt. „Aber der Erfolg hängt nicht nur von uns ab“, sagt Kruse. Die Berichterstattung und der Hitzesommer 2018 etwa hätten viele Menschen für die Klimakatastrophe sensibilisiert.

    Fridays For Future steckte schon vor Corona in einer Krise

    Die Zukunft von Fridays for Future sei in erster Linie von dem Verlauf der Pandemie abhängig, glaubt Bewegungsforscher Kraushaar. „Ich denke, die Organisatoren werden darauf achten, Schutzmaßnahmen wie Mindestabstand während ihrer Demonstrationen einzuhalten.“ Wenn es unter diesen Bedingungen gelinge, zumindest überschaubare Mengen zu mobilisieren, bestehe die Chance auf ein größeres öffentliches Echo. Allerdings habe Fridays for Future schon vor der Pandemie in einer Krise gesteckt. Langfristig könne eine Bewegung nur bestehen, „wenn auch Erfolge zu sehen sind“, sagt der Politologe. Es habe zwar Lippenbekenntnisse einiger Politiker gegeben, aber die entscheidenden Maßnahmen fehlten. Auch Mitbegründerin Kruse hält die Zeit bis zur Bundestagswahl 2021 als entscheidend für die Bewegung. „Bis dahin kann und muss sich noch viel verändern“, hofft sie.

    Laut Jugendforscher Hurrelmann beeinflussen aber auch noch andere Rahmenbedingungen, ob die Motivation der „Generation Greta“, wie er sie nennt, anhält. Bislang habe ein großer Teil der nach dem Jahr 2000 Geborenen weitgehend frei von existenziellen Sorgen um die berufliche Zukunft gelebt.

    Neue Zukunftssorgen für die Generation Greta?

    „Es war klar, man bekommt einen Ausbildungsplatz“, sagt Hurrelmann. „Die Unternehmen sind zu Bittstellern geworden.“ Das habe den jungen Menschen Raum geschafft, über andere elementare Fragen nachzudenken. „Wenn es jetzt aber wie in der Finanzkrise zu hoher Jugendarbeitslosigkeit kommt, werden sich junge Menschen wieder mehr um ihre eigene Situation kümmern und weniger politisch aktiv sein.“ Die „Generation Greta“ werde trotzdem politisch bleiben: „Junge Leute, die mit Fridays for Future groß geworden sind, werden auf ihrem Kurs bleiben und ihr Engagement behalten.“

    Erste Aktivisten überlegen, sich in Parteien oder Umweltschutz-Organisationen zu engagieren. „Das kann strategisch eine Chance sein, es birgt aber auch ein Risiko“, sagt Hurrelmann. Denn die Stärke der Bewegung sei ihre Eigenständigkeit. Es liege daher an den Parteien, Initiative zu ergreifen. „Diese Generation hat politisches Potenzial bewiesen“, sagt Hurrelmann. „Die Parteien sollten sich aktiv um diese jungen Menschen bemühen – allein schon, um nicht zu veralten.“

    Für Klimastreik-Organisator Heubeck ist das persönlich keine Option: „Bis wir uns selbst in der Politik einbringen können, dauert es viel zu lange“, sagt er. „Fridays for Future ist eine Protestbewegung. Unser Ort ist immer noch auf der Straße.“

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